Ballwechsel
Wie jedes Jahr erscheinen zu Beginn der Bundesligasaison neue Ausgaben der Fußballspiele „Fifa“ und „Pro Evolution Soccer“. Zu welcher Simulation man greift, ist eine Glaubensfrage. Wir haben zwei Gläubige gebeten, jeweils das Spiel zu testen, das sie sonst meiden würden wie der Teufel das Weihwasser
Fifa 11
xbox 360 | ps3 | wii | pc | ps2 | ds | psp
Getestet Xbox 360 | Entwickler & Publisher EA | Termin erschienen | Preis 30-60 Euro | USK frei | Spieler 1-22
Der „Fifa“-Reihe wurde in den vergangenen Jahren nachgesagt, viel von „Pro Evolution Soccer“ („PES“) abgeguckt zu haben. Wenn das so sein sollte, hat es Electronic Arts’ Fußballmarke gut getan: „Fifa 11“ ist bei Weitem nicht mehr das Spiel, das ich als „PES“-Fan früher so abstoßend fand. Bewegungsfreiheit in 360 Grad, absolute Kontrolle über Schuss- und Passstärke und keine Skripte: Wie ich zu meiner Überraschung und zu meinem Leidwesen feststellen musste, spielt sich „Fifa 11“ so, wie „PES“ es eigentlich sollte. Die kluge Vorteilsregelung und schnell ausgeführte Freistöße unterbrechen selten den Spielfluss. So etwas hat „PES“ im Laufe der Jahre leider beinahe vollständig verlernt.
Optisch ist „Fifa 11“ ordentlich, doch bei allem Respekt: Wer einen der zuletzt erschienenen „Pro Evo“ Teile gespielt hat, wird sich hier mit Superlativen sicher zurückhalten. Verglichen mit „PES“ sind Spieler aus der Nähe betrachtet deutlich detailärmer, und die Gesichter der Kicker wirken oft entstellt. Dazu kommt, dass die Inszenierung der Zwischensequenzen einfach plump ist. An den beeindruckend flüssigen Animationen gibt es jedoch nichts zu meckern.
Soundtrack und Sound bekommen dafür ein Sonderlob. Die Musik ist ein echter Ohrenschmaus, und die Stadionatmosphäre mit den abwechslungsreichen Fangesängen wirkt wie im Fernsehen.
Ein großer Kritikpunkt ist das Aufstellungsmenü, das viel zu unübersichtlich und umständlich zu bedienen ist. Der Formationsbildschirm ist winzig, und Stärken und Schwächen der Spieler sind im Untermenü versteckt. Taktikfüchse haben es hier schwer, ihr Team sinnvoll aufzustellen. Eine groß angekündigte Neuheit in „Fifa 11“ ist „Personality+“, eine riesige Datenbank, gefüllt mit unzähligen Spielerattributen, die jeden virtuellen Kicker wie dessen Vorbild spielen lassen soll. Im Spiel ist davon leider kaum etwas zu spüren. Auffällig ist allerdings die kluge Künstliche Intelligenz: Verteidiger bewegen sich beispielsweise clever auf den Angreifer zu, und auch die Torhüter scheinen ganz genau zu wissen, was sie tun. Neben den zahlreichen üblichen Spielmodi gibt es einen Neuling: Der „Be-A-Pro“-Torwartmodus, der so ziemlich der größte Unfug ist, der uns seit Langen in einem Fußballspiel präsentiert wurde. Das gesamte Spiel hindurch stehen wir vereinsamt in unserem Kasten und können dennoch das Spiel über simple Tastendrücke beeinflussen. Das fühlt sich eher nach „Guitar Hero“ an als nach Fußball.
Zugegebenermaßen: „Fifa“ hat „Pro Evo“ einiges voraus, mal abgesehen von Taktikscreen und Präsentation. Uns „PES“-Jüngern bleibt nur zu hoffen, dass Konami mit der diesjährigen Ausgabe wieder aufholt. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um mal von der Konkurrenz zu lernen.
Pro Evolution Soccer 2011
xbox 360 | ps3 | wii | pc | ps2 | psp
Getestet PS3 | Entwickler Winning Eleven | Publisher Konami | Termin erschienen | Preis 30-60 Euro | USK frei | Spieler 1-7
Das Umsteigen von „Fifa“ auf „Pro Evolution Soccer“ („PES“) ist so gewöhnungsbedürftig, wie Linksverkehr zu fahren. Denn wer sich so lange eingetrichtert hat, mit dem linken Knopf zu flanken und dem rechten zu schießen, tut sich schwer, das anders zu machen. Aber genau darum geht es hier: dass ich als längjähriger Fan von EAs Fußballreihe über den Tellerrand schaue – und mich dazu zwinge, die falschen Tasten zu drücken, um das Richtige zu tun.
Und so segeln die ersten Schüsse und Flanken meterweit an den anvisierten Zielen vorbei. Und das, obwohl das Spielfeld breiter wirkt als bei „Fifa“ und der Rasen stumpfer. Doch „PES“ reagiert zickig auf unpräzises Passspiel, und den Flankenknopf darf man oft nur antippen. Immerhin erweist sich die neue, geschwungene Schussstärke-Anzeige zu Füßen der Spieler als sehr nützlich bei der Feinjustierung. Diese Empfindlichkeit zeigt leider auch der Schiri, der nahezu jeden Körperkontakt ahndet und ganze Spiele zerpfeift. Unempfindlich sowie unübersichtlich ist dagegen die Kameraperspektive, die leider nicht von Hand korrigiert werden kann. Ansonsten ähneln sich beide Spiele in vielen Punkten: Hält man die Schultertasten und Trigger gedrückt, werden Bälle angeschnitten, Mitspieler in den freien Raum geschickt und Doppelpässe gespielt – das ist bei „Fifa“ nicht anders. Ungewohnt ist nur die Belegung des rechten Analogsticks. Der ist – zusammen mit dem linken Stick – für Finten und Dribblings zuständig, mehr nicht. In „Fifa“ zieht man mit ihm durch eine direkten Ballannahme am Gegner vorbei und verleiht dem Spiel somit viel Dynamik. Eine Dynamik, die ich hier etwas vermisse.
Nun die Stärken von „PES“. Da wäre zum einen die fantastische Präsentation. Okay, der Lizenzsack ist nicht wirklich prall gefüllt. Aber die Farben sind satt, die Gesichtszüge detailliert und die Animationen geschmeidig. Spieler lassen den Ball elegant mit der Brust abtropfen, lehnen sich im Luftduell gegen den Gegner, lamentieren und hocken bei kleineren Verletzungen frustriert im Seitenaus. Dagegen wirkt „Fifa“ tatsächlich arg hölzern. Große Klasse sind auch die taktischen Variationsmöglichkeiten. Mannschaftsaufstellungen lassen sich per Drag and Drop verändern. Und besser noch ist der dynamische Taktik-Editor, mit dem Teams auf viele Eventualitäten im Spielverlauf – früher Rückstand, Führung, Verlängerung – vorab eingestellt werden können. Für mich bleibt „Fifa“ das bessere Spiel, weil das Geschehen auf dem Platz dynamischer und intuitiver zu steuern ist. Dafür besitzt „PES“ eine bei Fußballspielen bislang unbekannte Eleganz. Ein Paradigmenwechsel also – denn vor ein paar Jahren verhielt sich das noch genau umgekehrt.
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