Während sich der Bundestag darauf einstellen muss, "Killerspiele" bald in einer Sitzung behandeln zu müssen – einer
Online-Petition mit 50000 erforderten Unterschriften sei Dank –, und in mehreren Städten insgesamt 2000 Gamer
demonstrierend durch die Straßen zogen, beschäftigt sich im diskursiven Kielweihwasser auch die Kirche mit der digitalen Massenbespaßung. In Hamburgs großer Zentralkirche St. Petri, direkt an der Konsummeile Mönckebergstraße gelegen, fragte Pastor Reinhard Dircks: "Spiele im Cyberspace – Harmloses Ventil oder gefährliche Anleitung?"
Nur unterbrochen von den Einlagen der beschwingt aufspielenden
St. Stephan Brass-Band leitete der überraschend progressive Pastor Dircks eine Veranstaltung, die so gar nichts mit dem zu tun hatte, was die meisten der Anwesenden erwartet hatten. Als Experten präsentierte er Professor Rainer Thomasius, den ärztlichen Leiter des
Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters.
Dieser berichtete aus seinem Alltag mit computersüchtigen Kindern und Jugendlichen, erzählte von seinen eigenen Erfahrungen mit Computerpielen - ein Baum kann halt weiter sehen als ein
durchschnittlich hoch gewachsener Politiker – und warnte vor einer voreiligen Verteufelung. Vielmehr, so Thomasius Worte, seien Aufklärung und Medienkompetenz, für Lehrer und Eltern, die richtigen Schritte, um den Kids einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium anzuerziehen. Wasser auf den Mühlen einer Handvoll anwesender Fachkundiger.
Kirche und Komputer sind sich also doch nicht so fremd wie anfangs vermutet. Wahrscheinlich entstammt die grundsympathische Haltung der Kirche zu virtuellen Realitäten einem inneren Anliegen und ähnlichen Strukturen. In Computerspielen gibt es schließlich auch ein Leben nach dem Tod. Mindestens eins. Und das christliche Heilsversprechen erhält seinen außerordentlichen Reiz nicht unbedingt durch seine ausgesprochene Realitätsnähe.
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