"Ich kann alles bauen"
Nolan Bushnell redet so leise, überlegt und verschmitzt, wie es nur Männer tun, die nicht mehr brüllen müssen. Das Mastermind hinter dem Erfolg von "Pong" und der Firma Atari ist Unternehmer, Erfindergeist, achtfacher Vater, dreifacher Opa und innovativer Gastronom, hat aber noch lange nicht das Gefühl, am Ziel zu sein. Weil wir als Menschheit es auch noch nicht sind
Wenn uns jemand fragen würde, wer Nolan -Bushnell ist, würden wir nicht sagen "Gamedesigner", sondern "ein Abenteurer". Ein moderner Leonardo da Vinci. Dürften wir das? Nolan Bushnell: Ja, ich bin in der Tat sehr zukunftsorientiert. Ich frage mich ständig, was als Nächstes denkbar wäre und gehe es dann an. Ich habe das Motto: "Wenn du die Zukunft vorhersagen willst, musst du sie erfinden." Dem folge ich im Leben und durch meine Kinder. Dann lassen Sie uns gleich über ihr aktuelles Projekt sprechen: die "uWink Media Bistros". Was erwartet die Gäste dort? Es geht um Spielen, das verbindet. "Social Gameplay". Es gibt viele Spiele, die aus den Leuten Zombies machen. Nur du und das Spiel, und vielleicht noch einige Mitspieler Tausende von Meilen entfernt - aber niemand, der dir auf die Schulter klopft und mit dir ein Bier trinkt. Wir haben einen Touchscreen für je zwei Plätze im Bistro und ermutigen Konversation durch das Medium des Spiels. Schnellen, sozialen Kontakt anstatt eines 24-Stunden-Fokus auf irgendeine Onlinewelt und ihre Pflege. Wir sind anders als ein Cybercafé oder eine Spielhalle. Ein freund-licher Raum, in dem jeder eine gute Zeit hat. Es sind also simple Spiele, die jeder versteht? Genau. Im Grunde sind sie nicht mal die Hauptsache. Sie sind das Sprungbrett zur Kommunikation. Ich zum Beispiel liebe "Die Siedler von Catan" in der Brettspielfassung. Auch dabei geht es nicht primär um das Spiel, sondern um die Begegnung der Menschen am Tisch. Ich selbst hasse Small Talk, deswegen es ist für mich sehr beglückend, unsere Gäste zu beobachten. Sie kommen als Fremde und gehen als Freunde. Wie es scheint, erfinden Sie meist Dinge, die Sie selbst gern nutzen würden. Ich bastele gern Dinge für mich selbst, und mit wenigen Ausnahmen werden sie dennoch ein Massenerfolg. Nur manchmal habe ich einen eher bizarren Geschmack. (lacht) Mit Catalyst Technologies haben Sie bereits in den achtziger Jahren in Roboter-Technologie investiert, ohne dass es einen riesigen Markt dafür gegeben hätte ... Ich fange eigentlich nie etwas an, wenn ich nicht glaube, einen Markt zu haben. Ich denke, es gibt einen für Unterhaltungsroboter, doch die Technik ist leider noch nicht weit genug, als dass sie wirklich unterhaltend sein könnte. Das meinten wir mit dem Da-Vinci-Vergleich: Sie tun es einfach, egal ob die Zeit dafür reif ist oder nicht. Es mag Sie vielleicht empören, aber ich bin -immer überzeugt, dass es die richtige Zeit ist. Ich sehe mich nicht als das Klischee eines -Erfindertypen, der mit großen Augen vor seiner Schöpfung sitzt, sondern schon als pragmatischen Geschäftsmann, der tragfähige Ideen entwickelt. Recherchiert man im Internet über Sie, stellt man fest, dass Sie stetig über innovative Ideen sprechen, welche die Welt verändern könnten. In einem Interview imaginieren Sie spielerische Multimediakonzepte zu einer radikalen Veränderung des Schulunterrichts, weg von Lehrer und Tafel. Was steckt dahinter? Oh, mein Gott, ich sollte nicht so viel über ungelegte Eier sprechen. Ich habe viele Projekte in der reinen Planungsphase und mache immer wieder den Fehler, mich hier und da zu verplappern. Die öffentlichkeit denkt dann, diese Dinge stünden kurz vor der Vollendung. Aber, ja, ich habe großes Interesse an alternativen Erziehungskonzepten. Ich habe acht Kinder, und ich sehe, dass die anders lernen wollen als ich früher. Ich möchte allerdings nicht darüber reden, denn es ist momentan noch so komplex, dass eine erschöpfende Erläuterung den Rahmen sprengen würde und falsche Vorstellungen weckt. Entschuldigen Sie, aber lassen wir diesen Wein noch ein wenig reifen, okay? Bauen Sie auch Dinge rein experimentell, ohne Geschäftsplan und Verwertungsidee? Ich bastele an einer programmierbaren Steuerung für die Hausbeleuchtung. Sie soll anhand der Lautstärke in einem Raum sowie weiteren Faktoren selbsttätig das Licht in Richtung einer bestimmten Atmosphäre modulieren. Außerdem träume ich von einer Art künstlicher Intelligenz in einem Screen in der Wand, die mit dem Hausbewohner redet und ihn unterhält. Kennen Sie die TV-Serie "Eureka"? Dort gibt es das komplett intelligente Haus "Sarah". So komplex ist es noch nicht denkbar, aber das ist die Richtung, ja. (lacht) Gibt es weitere Projekte, von denen Sie schon erzählen möchten oder dürfen? Im Fernsehen ist es ja üblich, während der Sendungen kurze Werbespots einzublenden. Das ist ein Markt von rund 60-80 Milliarden Dollar, da der durchschnittliche Zuschauer rund 27 Stunden die Woche vor der Kiste verbringt. Der durchschnittliche Gamer spielt allerdings auch bereits sieben Stunden die Woche. Was da in Sachen Werbung an ungenutztem ökonomischem Kapital schlummert, ist unglaublich. Daher arbeite ich an einem System, Werbung einfacher in gewisse Spiele einzubinden. Sie betreiben anscheinend grundsätzlich meh-rere Baustellen zur selben Zeit. Ist das ein Zeichen für ihren rastlosen Geist? Es stimmt, dass ich immer mehrere Projekte zugleich laufen habe. Man muss jedoch dazu sagen, dass die Planungs-, Erfindungs- und Umsetzungs-phasen eines Projektes manchmal schon Jahre zuvor beginnt, bevor die öffentlichkeit Notiz davon nimmt. Die trockene Schlussphase des einen Projektes und die spaßige Ent-deckungs--phase des anderen überschneiden sich dann. Alles sieht recht konfus aus, obwohl ich ganz kontrolliert von Aufgabe zu Aufgabe gleite. Sind Ihre Kinder Ihnen darin ähnlich? Einige von ihnen arbeiten sogar für mich bei uWink. Nicht alle haben dieselben Interessen, aber sie teilen den Mut und den Willen, später auch Unternehmer zu werden. Gab es in Ihrem beruflichen Leben den "einen Moment", an dem alles perfekt war? Nein, immer noch nicht. Wissen Sie, es gibt noch so unglaublich viel zu tun. Die Menschen realisieren überhaupt nicht, wie viel besser unsere Welt sein könnte, wenn wir endlich anfingen, wirklich daran zu arbeiten. Als Menschheit hinken wir unseren Möglich-keiten massiv hinterher. Wir könnten so viel -weiter sein: Verkehr, Transport, Ernährung - in vielen Bereichen bleiben wir so weit hinter den Möglichkeiten zurück, dass es mich echt aufregt. Warum ist das so? Haben wir Angst vor technischem Fortschritt? Befürchten wir, das Gute zu wollen und dann doch die Büchse der Pandora zu öffnen? Sicher gibt es gewisse Teile der Gesellschaft, die so denken. Das Hauptproblem ist jedoch, dass wir eine katastrophal ungebildete und unaufgeklärte Medienlandschaft haben. Sie überdramatisiert alles Negative. Um überhaupt einen halbwegs lebensfreundlichen -Level von Optimismus zu bewahren, muss man im Prinzip seinen Fern-seher und die -Tageszeitung abschaffen. Das ist so traurig. Anstatt daran zu glauben, dass alles möglich ist, wachsen die Kids mit der überzeugung auf, dass gar nichts mehr möglich ist. Was kann man denn dagegen tun? Wie soll man sich informieren und verhalten, um dennoch einen klaren Kopf zu bewahren? Dafür muss man im Prinzip bis zum Quellcode zurück. Um uns herum ist nur Lärm, ablenkender Lärm. Also muss man zurück zu einer klaren, eigenen Vorstellung davon, wie die Welt sein sollte. Wie man sie sich wünscht. Dann arbeitet man in allem, was man macht, darauf hin. Das ist unfassbar anstrengend, denn um im gegenwärtigen Lärm überhaupt noch Fetzen der Wahrheit zu erhaschen, muss man im Grunde wie ein Forscher danach graben. Das heißt: Wir haben viel mehr Informationen als je zuvor und sind doch in einer gewissen Weise uninformierter? Es ist wie mit dem Internet. Es eröffnet uns die größte historische Vielfalt an Blickwinkeln und zugleich die größte Flut an Störgeräuschen. Die Wahrheit war noch nie so trügerisch. Mal abgesehen von dem Medienboykott: Wie leben Sie privat? Wie sieht das aus, Ihr persönliches "Zurück zum Quellcode"? Jeder Zentimeter meines Büros, jedes Regal, jeder Winkel ist übersät mit Büchern, Werkzeugen und elektronischen Bauteilen. Für Außenstehende sieht es aus wie eine chaotische Masse, aber ich weiß exakt, wo was zu finden ist. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Mit dem Zeug, das ich hier habe, könnte ich im Prinzip alles bauen. Meine Kinder brauchen auch seit Jahren keinen Baumarkt mehr. Sie gehen einfach in meine Garage. Ihre Kinder sind mit Videospielen aufgewachsen. Was denken Sie als jemand, der diesen Markt quasi begründet hat: In welche Richtung wird sich das Videospiel entwickeln? Videogames starteten als Coin-ops, dann kamen die Konsolen, dann die PCs, dann die Ausweitung ins Internet und als letzte Evolutionsstufe das, was Nintendo nun mit der Wii erschaffen hat und was ich "Gestengames" nennen würde. Dieses Genre wird sich ausweiten dahin, dass der Spieler den kompletten Körper einsetzt. Es werden Mischungen aus Simulationen, Live-Rollenspielen und Themenpark-Attraktionen entstehen. Innovationen entstehen ohnehin immer durch Verschmelzung bestehender Elemente. Das klassische Brettspiel wird sich mit dem Videospiel mischen, indem ganze Tische zu großen Touchscreens werden, um die herum man sich dann versammeln und gemeinsam spielen kann. All diese Dinge würde ich befürworten, weil sie - so altbacken das klingen mag - unsere Welt besser machten. Sind Sie ein Moralist? Mich regen Spiele wie "Grand Theft Auto" einfach auf. Mich regt Gewalt auf. Sie wirft uns hinter uns selbst zurück. Wir Menschen sind für weitaus Größeres geschaffen. Vielleicht könnten Ihre uWink-Bistros dabei helfen? Eines läuft bereits in Los Angeles, weitere folgen bis runter nach Miami. Wann können wir in Deutschland eines besuchen? Wenn sich Investoren finden. Schreiben Sie das ruhig so. Wir suchen mutige Investoren. Das ist ein Aufruf, Leute. Das ist ein Aufruf! Interview: Oliver Uschmann