"Kein großer Witzeerzähler"
Er hauchte mit "Maniac Mansion" Computerspielen den Humor ein, erfand mit "Monkey Island" das berühmteste Adventure überhaupt. Jetzt, fast zwei Jahrzehnte später, will Ron Gilbert die Gameswelt ein weiteres Mal in Erstaunen versetzen - GEE traf ihn zum Gespräch
Verrätst du uns deinen Lieblingswitz? Ron Gilbert: (lacht) Meinen Lieblingswitz? Genau. Oh, äh... ich glaube, ich habe gar keinen. Du bist also nicht der Typ, der einen Witz nach dem anderen raushaut? (lacht) Nee, ich bin kein großer Witzeerzähler. Aber du bist schon ein humorvoller Typ... Na ja, es gibt verschiedene Arten von Humor. Manche Leute erzählen einfach nur Witze. Mein Humor besteht eher darin, bizarre Geschichten und Charaktere zu entwickeln. Bei Filmen und TV-Shows zählt Comedy zu den erfolgreichsten Genres. Witzige Computerspiele gibt es fast gar nicht. Eine echte Marktlücke. Wieso konzentrieren sich die Firmen nicht viel mehr auf humorvolle Spiele? Vermutlich, weil Comedy so schwierig ist. Es gibt nicht viele wirklich lustige Leute in der Spielebranche. Die meisten sind zwar technisch hoch begabt und verstehen eine Menge von Games, aber halt nicht von Humor. Das Ergebnis sind Spiele, die vorgeben, lustig zu sein. Weil sie es aber nicht sind, verkaufen sie sich nicht. Tja, und dann denken Publisher: "Comedy funktioniert nicht in Spielen." Sie sollten aber eigentlich denken: "Schlechte Comedy funktioniert nicht in Spielen." Weil es so schwierig ist und fast nie gut gemacht wird, geht auf diese Weise ein ganzes Genre den Bach runter. Für die Publisher ist es einfach zu sagen: "Computerspieler wollen keine lustigen Spiele." Ich glaube jedoch, sie wollen welche. Aber eben nur solche, die auch tatsächlich lustig sind. Mindestens genauso rar wie witzige Spiele sind gute Adventures. Woran liegt das? Ich glaube, weil man Adventures nur ein einziges Mal spielen kann. Die Leute wollen heute Games, die man immer wieder spielen kann. Ich selbst spiele im Moment jeden Tag mehrere Stunden "World Of Warcraft". Adventures sind vielen der neuen Gamer zu begrenzt. Aber ich denke, dass die Zeit von Adventures wieder kommen wird. Es muss sich nur die Art ändern, wie sie gemacht werden. Glaubst du nicht, dass es Millionen von Menschen da draußen gibt, die einfach nur auf Geschichten warten, die genauso toll erzählt und humorvoll sind wie vor 15 Jahren? Leute, die einfach nur ein gutes, solides Adventure wollen? Das frage ich mich auch. Ich weiß nicht, wie erfolgreich Dave Grossmans "Sam & Max"-Reihe in Europa ist (Anm. d. Red.: Grossman arbeitete seinerzeit mit Gilbert an "Maniac Mansion"). Aber sie scheint ein guter Indikator dafür, dass die Leute diese Spiele tatsächlich wollen. Ich denke, die Spieleindustrie ist ziemlich gewachsen. Der Markt für Adventures ist dabei nicht unbedingt geschrumpft, aber es gibt einfach viel mehr Leute, die andere Genres spielen wollen. Deshalb tun sich die Publisher so schwer damit, weiterhin auf Adventures zu setzen. Bist du verbittert über diese Entwicklung? Immerhin heißt dein Blog "Grumpy Gamer" ("Grummliger Spieler"). "Verbittert" ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich glaube, wer so lange in einer Branche ist wie ich in der Spieleindustrie, der hat einfach all ihre Schattenseiten gesehen. Vielleicht wird man ein bisschen zynisch, aber ich würde nicht sagen, dass es einen verbittert. Dafür liebe ich die Spieleindustrie viel zu sehr. Und diese Liebe wurde natürlich von deiner Arbeit bei Lucas Arts entfacht. Tut mir Leid, aber wir müssen noch mal fragen: War die Arbeit als Spielerfinder damals wirklich eine einzige Party? Es war einfach total aufregend. Besonders in den frühen Tagen, als wir noch eine relativ überschaubare Truppe waren. Die Leute waren sowohl kreativ als auch technisch und künstlerisch extrem begabt, einfach perfekte Kollegen. Wir hatten viele Freiheiten und konnten fast alles machen, was wir wollten. Und ich finde, manchen Spielen von damals kann man diese Freiheit auch ansehen. Es gab einfach keinen wirklichen Druck. Natürlich mussten wir erfolgreiche Spiele machen. Aber in den Anfängen ging es nicht darum, so viel Geld wie möglich zu machen, sondern darum, richtig gute Spiele zu entwickeln, die sich angemessen verkaufen. Hattest du eigentlich bei der Arbeit an "Monkey Island" schon so eine Ahnung, dass du gerade dabei warst, etwas Großes zu erschaffen? Nein, absolut nicht. Wir wussten zwar, dass es ein gutes und sehr witziges Spiel werden würde. Aber ich hätte nie geglaubt, dass die Leute "Monkey Island" auch 15 Jahre später noch so lieben würden. Du hast mal gesagt, dass ihr auf die meisten der Ideen in "Monkey Island" in so genannten Bullshit Sessions gekommen seid. Was genau dürfen wir uns darunter vorstellen? (lacht) Wir haben einfach nur rumgesessen, Schwachsinn geredet und Spaß gehabt. So sind die meisten Ideen für das Spiel entstanden. Dave Grossman, Tim Schafer und ich hatten einfach eine verdammt gute Zeit. Wir haben herumgesessen, uns über alles Mögliche totgelacht und das dann ins Spiel gepackt. Warum bist du bei Lucas Arts weggegangen? Weil ich schon eine ganze Weile in der Spielebranche gearbeitet hatte und fand, dass es an der Zeit sei, meine eigene Firma zu gründen. Was war das für ein Gefühl, den Schreibtisch zu räumen? Es war traurig, sehr, sehr traurig. Ich wusste zwar, dass ich weiterhin Spiele machen würde, aber trotzdem fiel mir die Entscheidung auf keinen Fall leicht. Deinem Leib-und-Magen-Genre bist du aber auch nach deiner Zeit bei Lucas Arts treu geblieben: Du hast Adventures für Kinder entwickelt. Ist jemand, der sich diesem Genre so sehr verschrieben hat, eigentlich selbst ein abenteuerlustiger Typ? Nein, ich bin nicht gerade besonders abenteuerlustig. Komm schon! Nicht mal ein bisschen? Na ja, ich reise gern und lerne gern neue Orte kennen. In Amerika, in Europa... ich war auch schon in China. Ich bin Pilot, also fliege ich auch gern. Ich finde es toll, meine eigene Maschine zu fliegen. Du hast ein eigenes Flugzeug?! Jetzt nicht mehr. Aber als ich es hatte, war das schon ein Riesenspaß. Aber du ziehst nicht ständig um die Welt auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer? Ehrlich gesagt bin ich am liebsten zu Hause und lese ein gutes Buch. Vielleicht mache ich ja deshalb Adventures - weil ich selbst keine erlebe. (lacht) Deine Spiele waren ein großer kommerzieller Erfolg. Sieht dein Haus entsprechend aus: eine große Villa mit Pool und zwei Garagen, dicken Autos...? Dass die Spiele sehr erfolgreich waren, heißt nicht, dass ich damit viel Geld verdient habe. Ich war nur ein Angestellter, also habe ich davon nicht wirklich was gehabt. Lucas Arts hat dich also über den Tisch gezogen? Nein, auf keinen Fall. Ich war fest angestellt, ich hatte ein regelmäßiges Einkommen und musste mir keine Sorgen machen, etwas zu essen auf den Teller zu bekommen. Ich habe vielleicht nicht das große Geld gemacht, aber ich fühle mich nicht, als hätten die mich über den Tisch gezogen. Weißt du, wie viel Lucas Arts für die Rechte an "Monkey Island" haben will? Als ich sie danach gefragt habe, sagten sie bloß, dass sie die Rechte niemals verkaufen würden. Klar, wenn ich mit hundert Millionen Dollar ankommen würde, wäre das vermutlich machbar. Aber ich glaube nicht, dass sie die Rechte für eine realistische Summe hergeben würden. Wie ist eigentlich dein Verhältnis zu anderen großen Adventuremachern aus den alten Zeiten? Triffst du manchmal mit Al Lowe, Roberta Williams oder Tim Schafer zum Golfspielen? Tim und ich sind immer noch gute Freunde, wir sehen uns regelmäßig. Auch Dave Grossman treffe ich andauernd. Mit Al Lowe habe ich ein paar Mal gemailt und ihn zwei oder drei Mal getroffen, aber ich kann nicht behaupten, ihn zu kennen. Und Roberta Williams kenne ich überhaupt nicht. Wir sind uns ab und zu über den Weg gelaufen, aber ich habe nie wirklich mit ihr gesprochen. Hast du damals "Leisure Suit Larry", "Space Quest", "King's Quest" und die ganzen anderen Adventures gespielt? Klar habe ich die gespielt. Ich würde sogar sagen, "King's Quest" war der einzige Grund, warum ich "Maniac Mansion" gemacht habe. Allerdings hat mich die Texteingabe bei den alten Textadventures immer gestört, deshalb habe ich für "Maniac Mansion" die Point-and-click-Steuerung entwickelt. Aber "Leisure Suit Larry" und die ganzen "Space Quest"-Sachen waren schon gute Spiele, ich fand sie sehr lustig. Empfandet ihr Sierra als große Konkurrenz? Ja, da gab es auf jeden Fall eine Rivalität. Und wer hat gewonnen? Ich schätze, keiner. (lacht) Schließlich gibt es heute weder Adventures von Lucas Arts noch von Sierra. Schon mal darüber nachgedacht, was anderes zu machen als Computerspiele zu entwickeln? Vielleicht einen Film? Das Kreative an Filmen würde mich schon reizen. Aber in dieses Geschäft reinzukommen ist einfach unmöglich. Du könntest ja einfach mal ein Drehbuch schreiben? Selbst wenn: Es gibt Zehntausende, die bessere schreiben würden als ich. Aber es gibt keine Zehntausende, die "Monkey Island" erschaffen haben. Ja, aber bestimmt fünftausend Leute mit genauso spannenden Geschichten. Es ist ein hartes Geschäft, und ich glaube nicht, dass es da auch nur im Geringsten besser zugeht als in der Spielebranche. In beiden geht es um viel Geld, und vermutlich hat man in der Filmbranche genau die gleichen kreativen Frustmomente. Außerdem kenne ich mich mit Spielen viel besser aus. Du bist mittlerweile seit rund zwei Jahren auf der Suche nach einem Publisher für dein neues Projekt, ein Adventure mit RPG-Elementen. Hast du inzwischen einen gefunden? Nein, noch nicht. Aber ich habe ein paar sehr ernsthafte Gespräche geführt und schätze, dass sich da innerhalb der nächsten neun Monate etwas tut. Warum dauert das so lange? Müssten sich die Firmen nicht darum reißen, das neue Ron-Gilbert-Spiel rauszubringen? Ich glaube, es liegt daran, dass Publisher sehr pragmatisch denken. Die wollen etwas, das sich sechs Millionen Mal verkauft und ihnen 200 Millionen Dollar einbringt. Alleine bei dem Wort "Adventure" verlieren die meisten schon das Interesse. Wobei einige europäische Spieleentwickler schon interessiert waren. Aber die haben nicht so viel Budget, und es ist schwierig, die Summe zu bekommen, die ich brauche. Warum muss es denn so teuer sein? Kommt es nicht vor allem auf die Idee und die Story an? Nicht nur die Story ist entscheidend, es geht auch um den optischen Gesamteindruck. Will man mit Top-Künstlern arbeiten, damit es auch optisch spannend und faszinierend ist, kostet das einfach einen Haufen Geld. Glaubst du, dass du noch einmal so viel Erfolg haben könntest wie früher? Ich glaube, wenn ich dieses Spiel finanziert bekomme, wird es sehr, sehr interessant werden. Viele Leute werden erstaunt sein, was man mit Adventure-Games alles anstellen kann. Die Art, wie man Geschichten erzählt und Puzzles konstruiert und wie man sie mit einem RPG-Format verknüpft. Ja, ich glaube, es würde ein sehr erfolgreiches Spiel werden. Äh, eine Frage noch: Hast du beim Adventure-Spielen schon mal ins Lösungsbuch geguckt? Oh, ganz ehrlich? Andauernd! Ich glaube, ich habe noch kein Spiel komplett ohne Lösung durchgespielt. Interview: Ole Schley
Und da ist jetzt „DeathSpank“ bei rumgekommen? Na, Herzlichen Glückwunsch -.-