Oh, mein Bot!
In den Achtzigern waren die Transformers Superstars. Im Laufe der Jahre aber gerieten sie immer mehr in Vergessenheit. Bis jetzt. Denn im Juli kehren die Transformers zurück - als millionenschwerer Hollywood-Blockbuster, von Steven Spielberg inszeniert. Bevor also im Sommer der nächste große Transformers-Hype losbricht und mit ihm auch die neuen Actionfiguren eintreffen, haben wir uns noch mal aufgemacht, um die wahren Fans zu besuchen. Jene, die ihren Lieblingen schon seit Jahren die Treue halten
Philipp, 29 "Ich spiele mit den Transformers eigentlich nicht mehr. Ich trage keine Kämpfe aus oder so was", antwortet Philipp auf die Frage, was ein 29-jähriger Unternehmensberater mit seiner Sammlung von 360 Transformers-Spielfiguren so anfängt. Also keine Roboterkriege. Kein Kinderzimmer. Keine "Trrrrsssch"-Geräusche der Plastik-Laserkanonen. Ein bisschen schade drum, denn es wären wohl die größten Transformers-Schaukämpfe, die auf deutschem Boden möglich sind. Philipp oder "Philister", wie er in der Community heißt, ist der Vorzeigesammler der deutschen Transformers-Szene. Obwohl die meisten seiner Figuren ihre Ikonen-Existenz in Kartons auf dem dunklen Dachboden fristen und selten das Tageslicht sehen. "Manchmal", erzählt er, "wenn ich nervös bin, nehme ich mir eine Figur und transformiere sie hin und zurück wie ein Schlafwandler. Sagt jedenfalls meine Frau." Mit wenigen Kinderhandgriffen verwandelt sich ein Roboter in einen Truck. Ein Drachen wird ein Space-Shuttle, wird ein Drachen. Das Verwandlungsmoment ist der Vorgang, der Philipp beruhigt. Dass er sie nie wieder hergeben muss, ist der zweite beruhigende Gedanke. Denn die 150 von der Gattin für wohnzimmertauglich befundenen Figuren – in drei "Billy"-Regalvitrinen untergebracht – stammen bereits aus der zweiten Sammel-Rallye. Von den Figuren, mit denen er als neunjähriger Steppke "Kämpfe austrug", trennte er sich in der Pubertät auf einem Flohmarkt. Heute kann er auf Ebay um japanische "Deluxe"-, "Mega"- oder "Ultra"-Versionen von Optimus Prime und Co wettbieten – und mit seiner Frau über eine vierte Vitrine diskutieren. Thach Vu, 21 Eine Frage, mit der sich jeder zwangsläufig auseinander setzen muss, der das Transformers-Universum ernst nimmt, lautet: "Was ist eine Sub-Raum-Tasche, und wie funktioniert sie?" Mit ein bisschen Glück begegnet dem Fragen-den bei der Suche nach einer Antwort Thach Vu. Der 21-jährige Lehramtsstudent beschäftigt sich mit den Fehlern, Mythen und Theorien seiner Lieblingsserie. Natürlich gibt es in "Transformers" keine Sub-Raum-Tasche. Aber: Wohin verschwinden die gerade nicht benötigten Anhänger oder Waffen der Transformers? Das versuchen vor allem amerikanische Fans mit oder ohne Hilfe physikalischer Gesetze zu erklären. Die Sub-Raum-Tasche ist dabei die beliebteste Theorie. Wenn man Thach Vu nach der Sub-Raum-Tasche fragt, muss er grinsen. Er liebt die Fülle an Ideen und halb wissenschaftlichen Diskussionen und beteiligt sich daran. Er liebt auch die Geschichten, die verschrobenen Ideen und abwegigen Theorien, auch wenn er weiß, dass sie alle auch ein bisschen absurd sind. Aber er liebt auch das Wissenschaftliche daran. Deswegen sagt er: "Also, die Grundlagen der Idee ,Transformers‘ sind vom wissenschaftlichen Standpunkt doch durchaus denkbar." Und die Idee "Transformers" ist ihm das Wichtigste. Nicht ausschließlich die Zeichentrickserie, nicht die Jagd nach tollen Figuren der heiß begehrten "ersten Generation", nicht die Comics, von denen Thach Vu selbst drei seltene, in Zellophan eingeschlagene Exemplare besitzt. Es ist die Anlage der Geschichte "Gut gegen Böse" in der komplexen Variation der Transformers. Thach Vu nennt das Mythologie und erzählt vom Planeten Cybertron und davon, wie er mit seinem Bruder zum ersten Mal vor 16 Jahren um sechs Uhr am frühen Morgen aufgestanden ist, um die Zeichentrick-Transformers im Fernsehen zu sehen. "Zu Beginn waren die Zeichentrick-Episoden ja nicht mehr als extralange Werbesendungen, um den Verkauf der Figuren zu fördern", findet Thach Vu heute. "Und irgendwann haben sich die Geschichten neben den Figuren verselbstständigt." Die Storyline wurde kompliziert, Figuren differenziert. Es entstanden echte Charaktere. Solche wie Thach Vus Liebling Rodimus Prime, dem Nachfolger von Optimus Prime, dem unfehlbaren Leader der Autobots. Und gerade die von Selbstzweifeln und Depressionen geplagte Figur ist bei Thach Vu so beliebt: "Eigentlich ist er ein seelisches Wrack. Total kaputt, der Typ." Er überlegt und fügt hinzu: "Menschlich halt …" Jan, 19 Jan bedient sich gern eines sehr erwachsenen Vokabulars, wenn er über Transformers redet. Benutzt Wörter wie "Wertzuwachs" und "Entwicklungsmacht". Jan ist einer der jüngsten unter den organisierten Fans. Der Betreiber, Programmierer und Co-Moderator der größten deutschen Transformers-Community (www.thetransformers.de) ist erst 19. Wenn man im Wohnzimmer von Jans Eltern mit dem Musikstudenten über Transformers, deren deutsche Fans oder Jans Website spricht, bekommt man den Eindruck, dass am Ende alle, die sich mit Transformers beschäftigen, Kinder sind. Ältere Kinder und jüngere Kinder, aber am Ende eben Kinder. Er selbst ist mit 19 Jahren ein "mittelaltes" Kind und nicht etwa erwachsen. Aber was heißt schon erwachsen, wenn es um Transformers geht? "Bis mir meine Eltern die erste Transformers-Figur schenken wollten, musste ich lange rumquengeln." Da war er "vier, oder so". Quengelei ist übrigens auch in erwachsenen Transformers-Fankreisen immer noch eine weit verbreitete Form der Zu-Wort-Meldung. So hat, wie Jan berichtet, die große amerikanische Fanbase in den USA durchgesetzt, dass die Originalstimme des Charakters Optimus Prime, der Schauspieler Peter Cullen, auch für den anlaufenden Michael-Bay-Film engagiert wurde. "Aber das sind mehrere Zehntausend." Wenn Jan das deutsche Pendant zur Unterschriften-Petition kommandiert, hat das leider weniger Gewicht. Mit den etwa 200 aktiven Fans, von denen er rund 40 zu den harten Toy-Fans zählt, lässt sich kein Synchronsprecher durchsetzen. Zum Beschweren aber reicht es! Über Übersetzungsfehler auf Websites zum Beispiel. Wenn aus Optimus Prime, dem strah-lenden Anführer der Autobots, einem so genannten Semi Truck Leader, also einer "Zugmaschine", ein "zweiter Anführer" gemacht wird, guckt Jan ganz versonnen und kann nur schmunzeln über so viel Ungeschick. Und spricht mit einer charmanten Entrüstung von "Unverfrorenheit" und der verbesserungswürdigen "Qualitätskontrolle". Ja, wenn Jan einmal seine Zehntausend hinter sich versammelt hätte, er würde ganz bestimmt einiges verbessern. Das aber kann noch ein bisschen dauern – im Moment denkt der Münsteraner noch über das erste bescheidene Treffen mit seinen Genossen nach. Bis jetzt kennt man sich nur aus dem Web. Niels, 30 "In die Welt meines Bruders und meiner Freunde passt Plastikspielzeug nicht mehr rein." Und in deine Welt? "In meine Welt passt das noch." Das liegt vor allem daran, dass Niels sich Räume schafft, in denen der Spaß am Spielzeug und am Spielen konserviert ist. Die Tür zum Spielzimmer des frisch gebauten Einfamilienhauses, in dem Niels zusammen mit seiner Frau wohnt, steht jedenfalls die meiste Zeit weit offen. Absichtlich. Um Niels’ Freunden oder dem jüngeren Brüder den Weg zurück in die Vergangenheit zu weisen. Später soll der 40 Quadratmeter große Raum einmal das Kinderzimmer werden, oder zwei, "dann ziehen wir halt ’ne Wand rein". Im Moment stehen hier noch Konsolen, ein Tischkicker, Sofa, Beamer und jede Menge Transformers-Figuren. Das Kinderzimmer eines Erwachsenen. "Die meisten meiner Freunde", erzählt der Bankfachwirt, "nehmen als erstes einen Transformer in die Hand und versuchen ihn in irgendwelche tollen Posen zu stellen oder zu transformieren. Irgendwie ziehen die Figuren immer noch Jungshände an." Egal wie alt die sind. Die meisten der Autobots und Pretender, die Niels auf einem Regal hinter dem Sofa drapiert hat, hat er erst in den vergangenen Jahren gekauft. Seit 2003 sammelt der 30-Jährige wieder. Natürlich hat auch er das erste Mal Bot-Blut geleckt, als er noch in die Schule ging. Aber erst jetzt, als Erwachsener, kann er kleinen Luxuslastern nachgehen, wie einer exklusiven Transformers-Figuren- und einer umfangreichen Konsolensammlung. Vom Bauen seines Hauses anscheinend noch mit Inspiration gesegnet, hätte eine von ihm gestaltete Transformers-Figur gleich möglichst viele Funktionen auf einmal: "Vielleicht würde ich einen neuen Flugzeugträger entwerfen, oder so ... Bei den Figuren sind die größten einfach die besten. Und: Je mehr Teile, desto besser!" Platz in seiner Welt wäre für so einen Transformer ganz bestimmt. Martin, 31 Eigentlich heißt er Martin. Je nachdem, in welcher Funktion man ihm begegnet, würde er sich aber mit einem von beinahe einem halben Dutzend Synonymen vorstellen. Als Privatmensch hört er auf den Spitznamen "Chewie". Im Berufsleben, als Drummer einer Metalband, hieß er jahrelang Suthur. In der Transformers-Community nennt er sich Quickmix, nach seinem Liebings-Transformer. Außerdem spielt er als Torwart Amateurfußball auf hohem Niveau. Und das ist ein mittleres Wunder, wenn er von den Nachmittagen seiner Jugend erzählt. "Ich erinnere mich an einen Besuch bei Freunden: Es waren 30 Grad im Schatten, und alle wollten raus und Fußball spielen. Nur ich nicht. So lange die Transformers-Figuren meiner Freunde im Haus blieben, bin ich auch nicht rausgegangen." Plastikspielzeug mit Laserkanonen entsprachen nicht dem Geschmack von Martins Eltern, und so wuchs seine Begeisterung dafür in anderer Kinder Zimmer. Heute holt er, wenn er gemeinsam mit seiner Freundin über Flohmärkte pirscht, die Weihnachtsbescherungen seiner Transformers-losen Kindheit nach. Lediglich der Spaß am Spiel ist irgendwo zwischen damals und heute verloren gegangen: Ein Versuch, einmal gemeinsam mit seiner Freundin Transformers-Kriege auszufechten, endete nach wenigen Momenten mit Martins trotzigem Statement: "Mädchen sind doof!" Zur Erklärung fügt er heute an: "Ja, die kann das halt nicht." Aber, er selbst kann es eigentlich auch nicht: "Wenn ich heute versuche mit den Transformern zu spielen, merke ich schnell, dass das nicht mehr funktioniert. Mir fehlt inzwischen vielleicht die nötige Fantasie." Text: Lennart Wegner, Fotos: Benne Ochs