Dauer Feuer
Von den einen als rigorose Spieleverbrenner beschimpft, von den anderen als hyperliberale Killerspieldulder angeprangert: Die USK findet sich zurzeit zwischen den Fronten und von allen Seiten beschossen. Zu Recht?
Frühjahr 2005. "God Of War" erscheint auf dem deutschen Markt. Jedenfalls beinahe. Denn nachdem Publisher Sony bereits mit seiner Pressearbeit für das Spiels begonnen hat, wird die Veröffentlichung von einem Tag auf den anderen abgeblasen. Man hört: Die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle, kurz USK, hat das Spiel geprüft und ihm die Alterskennzeichnung verwehrt. Frühjahr 2006. "God Of War" erscheint auf dem deutschen Markt. Diesmal wirklich. Mit einer USK-Alterskennzeichnung "ab 18". Was ist passiert? Bei ihrer ersten Prüfung war sich die USK aufgrund der in "God Of War" gezeigten Gewalt nicht sicher, ob das Spiel nicht mit den Kriterien der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, kurz BpjM, kollidieren würde. Diese ist zwar der USK übergeordnet, hätte aber bei einer Alterskennzeichnung der USK das Spiel trotzdem nicht mehr indizieren können. Die Veröffentlichung eines Titels ohne Alterskennzeichnung passe nicht zur Firmenphilosophie, hieß es im Anschluß an die verpasste Kennzeichnung von "God Of War" im offiziellen Sony-Statement. Wahrscheinlicher ist aber, dass Sony keine Lust hatte, viel Geld in Vertrieb und Vermarktung einer deutschen Version zu stecken, die anschließend direkt wieder von der BpjM indiziert wird. Sony Deutschland beschloss also, das Spiel hier gar nicht auf den Markt zu bringen. Doch entgegen der Einschätzung der USK entschied man bei der BpjM, das Spiel nicht zu indizieren. Daraufhin befand die USK, das Spiel könne nun doch eine 18er-Freigabe erhalten. Sony reagierte und stellte das Spiel ein Jahr nach dem eigentlichen Veröffentlichungstermin dann doch noch in die deutschen Regale. Viele Spieler reagierten verwirrt, manche ziemlich frustriert. Nun ja, das Unverständnis von Spielern über Eingriffe der USK in ihr Hobby ist beileibe nicht neu. Neu ist nur, dass sie nicht mehr die Einzigen sind, die die USK für überflüssig halten. Denn in letzter Zeit kritisieren auch Politiker die Einrichtung als zu ineffizient. Momentan wird sogar darüber diskutiert, die mittlerweile zwölf Jahre alte Institution komplett abzuschaffen. Grund zum Jubeln für genervte Gamer? Ein Spieler wetterte nach dem Hin und Her bei "God Of War" in einem Games-Forum: "Scheiß-USK, die verarschen einen ja nur noch! Erst verbieten sie das Spiel, jetzt erlauben sie es wieder. Die würfeln ihre Entscheidungen ja wohl auch nur aus!" Dieser Forumsbeitrag verdeutlicht vor allem eins: Kaum einer der Gamer versteht eigentlich genau, wie der Verkauf von Computerspielen in Deutschland kontrolliert oder beschnitten wird und wer dafür zuständig ist. Deswegen der Reihe nach. Die USK wurde 1994 als Teil des Fördervereins für Jugend und Sozialarbeit e. V. gegründet. Sie finanziert sich noch heute zum einen aus den Mitteln dieses Vereins, zum anderen aus Gebühren, die sie von den Spielherstellern für die Altersprüfung ihrer Games erhält. Die USK steht als vermittelnde Instanz zwischen gesetzlichem Jugendmedienschutz und Games-Industrie. Sie gewährt den Publishern mit ihren Alterssiegeln die Garantie dafür, ihr Spiel auch an eine entsprechende Alters-Zielgruppe verkaufen zu können. Mit der Verweigerung einer Kennzeichnung warnt sie vor einer drohenden Indizierung und erspart Computerspielunternehmen kostenintensive Werbekampagnen für ein Spiel, das anschließend durch eine Indizierung vom offenen Markt genommen wird. Zu Beginn aber gab es diese verbindlichen Altersfreigaben bei der USK noch nicht. Sie sollte lediglich Altersempfehlungen vergeben, die besorgten Eltern als Orientierungshilfen dienen konnten, welches Spiel für ihr Kind geeignet sein könnte und welches weniger. Dies änderte sich nach dem Amoklauf Robert Steinhäusers im Frühjahr 2002, der im Zuge einer Zeitungsente und eines fehlerhaft recherchierten Buches mit dessen angeblichem "Counter-Strike"-Fanatismus in Verbindung gebracht wurde. Tatsächlich war Steinhäuser weder ein "Counter-Strike-Spieler" (nachzulesen im Bericht der Kommission Gutenberg-Gymnasium), noch besaß sein PC überhaupt den für dieses Spiel benötigten Internetanschluss. Die Bundesregierung brachte im Zuge der allgemeinen "Counter-Strike"-Hysterie trotzdem eine Novelle des Jugendmedienschutzes durch, die die Altersempfehlungen der USK verbindlich machte. Die USK entscheidet seitdem, welches Mindestalter erforderlich ist, um ein bestimmtes Videospiel kaufen zu dürfen. Verweigert sie eine Kennzeichnung, heißt das: Die USK befürchtet, dass die BpjM das Spiel indizieren könnte . Denn das darf nur die BpjM. Sie kann auf Antrag einer dazu berechtigten Institution (zum Beispiel Jugendämter und Behörden) prüfen, ob ein Spiel ohne USK-Kennzeichnung tatsächlich auf dem Index landen soll. Doch selbst dann ist das Spiel nicht für Erwachsene verboten. Es darf nur nicht in für Minderjährige zugänglichen Räumen beworben oder verkauft werden - was mit einem 18er-Siegel der USK durchaus noch möglich ist. Somit kann ein Games-Shop, den nur Erwachsene betreten dürfen, seine Wände mit Postern indizierter Titel tapezieren und diese auch offen ausstellen und verkaufen - solange Werbung und Spiele nicht von außen durch die Schaufenster einsehbar sind. Da größere Kaufhäuser - wohl aus Furcht vor einem Schmuddelimage - aber nicht über abgetrennte "Erwachsenenabteilungen" verfügen, kommt eine Indizierung in der Praxis tatsächlich einem generellen Verkaufsverbot nahe. Ein tatsächliches Verbot auch des Verkaufs an Volljährige kommt hingegen im Computerspielbereich nur ausgesprochen selten vor und wird weder von der BpjM noch der USK vorgenommen - dafür ist die Staatsanwaltschaft zuständig. Die USK hat also "God Of War" nicht "verboten", wie es der frustrierte Spieler im Forum vermutete. Trotzdem bleibt natürlich die Frage, wieso die USK das Spiel erst für einen Indizierungskandidaten halten kann, die BpjM dann aber nicht. Die USK orientiert sich zwar in der Mehrzahl ihrer Alterseinstufungen an einem anderen und viel längeren Kriterienkatalog als die BpjM, doch gerade bei der Frage der Indizierungsgefährdung orientieren sich beide Einrichtungen an den gleichen Kriterien, die wesentlich auf Paragrafen des Jugendschutzgesetzes und Strafgesetzes basieren. Werden diese Kriterien nicht klar genug zwischen den beiden Einrichtungen kommuniziert? Petra Meier, stellvertretende Vorsitzende der BpjM, winkt ab: "Die BPjM steht mit der USK in einem engen Austausch über inhaltliche Fragen. Die Indizierungskriterien werden in regelmäßigen Arbeitstreffen der Prüferinnen und Prüfer beider Institutionen besprochen und anhand von aktuellen Fallbeispielen diskutiert. Dass es in Einzelfällen zu unterschiedlichen Auffassungen kommen kann, lässt sich auch durch einen kontinuierlichen Austausch nicht verhindern, gerade wenn es sich um Grenzfälle der Jugendgefährdung handelt." In Einzelfällen? Wie häufig kommen solche Uneinigkeiten über die Bewertung denn vor? "God Of War ist bis jetzt der einzige Fall, in dem die Meinungen auseinander lagen", erklärt die Leiterin der USK, Christine Schulz. "Prüfgremien setzen sich immer aus Menschen zusammen. Da kann nicht alles objektiviert werden. Zumal, wenn man die Gutachtenden keine Fragebogen ausfüllen lässt, die dann automatisch eine Bewertungsnote ergeben." Tatsächlich lassen die Bewertungskriterien der USK immer einen gewissen Ermessensspielraum für die Prüfer. Wann ist zum Beispiel ein Spiel "zu unheimlich" für eine bestimmte Altersgruppe? Wann sind seine Sounds "zu aufpeitschend"? Zwei verschiedene Prüfer könnten solche Fragen durchaus unterschiedlich beantworten und so zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Und durch genau diesen Interpretationsspielraum steht die USK sowohl bei Computerspielfans als auch bei Computerspielhassern derzeit in der Kritik. Interessanterweise mit genau entgegengesetzten Argumenten. Die Gamer befürchten, dieser Auslegungsspielraum führe dazu, dass bei der USK Videospielgegner in seliger Eintracht den Kriterienkatalog so definieren, dass sich damit möglichst viele böse Games mit möglichst hohen - am besten gar keinen - Alterskennzeichen versehen lassen. Auf dass der geheime Verführer Computerspiel auf ewig aus der Welt verbannt werde. Tatsächlich sind die insgesamt 54 ehrenamtlich arbeitenden Prüfer der USK ihrem Gegenstand aber so fern nicht: Bei der Besetzung der Prüferstellen wird nicht nur Wert darauf gelegt, dass die Bewerber über berufliche Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen verfügen, sondern auch über zumindest grundlegende Kenntnisse der Videospielszene. Und - hört hört! - der größere Teil der Prüfer spielt regelmäßig in seiner Freizeit Games. Computerspielverdammer indes klagen das genaue Gegenteil an. Die USK urteile zu nachsichtig, lasse der Killerspiel-Industrie zu vieles durchgehen. Am besten solle sie abgeschafft und durch rigorosere Maßnahmen ersetzt werden, vorzugsweise durch internationale Herstellungsverbote. Losgetreten wurde diese Welle der Kritik von einer Reportage des ZDF-Magazins "Frontal 21" im November 2004. In dem Beitrag wurde die USK als vollkommen ineffizientes Alibi-Instrument eines nicht funktionierenden Jugendmedienschutzes dargestellt, das letztendlich die Verantwortung an die Verkäufer in den Geschäften abschiebe. Die Reportage gipfelte in der ebenso absurden wie unbelegten Anklage, die USK habe die Zahl der brutalen Gewaltspiele nicht verringert, sondern sogar erhöht. Christine Schulz ist fassungslos: "Die USK kann doch nicht die Anzahl brutaler Spiele erhöhen. Die USK-Statistik belegt eindeutig, dass der Anteil an Spielen mit gewalttätigen Inhalten über die Jahre hinweg stabil geblieben ist." Dennoch ist die Front der USK-Gegner gerade unter konservativen Spieleskeptikern seit der "Frontal 21"-Reportage, die auch dem Begriff des "Killerspiels" zu seiner derzeitigen Popularität verhalf, merklich gewachsen. Vermutlich ist gerade die Weigerung der USK, hetzerische Begriffe wie "Killerspiel" zu verwenden, ein Grund dafür, dass viele computerspielfeindliche Politiker mit dem Gremium nicht warm werden. Die Aufgeschlossenheit der USK gegenüber dem Medium Videospiel ist für einige Politiker offensichtlich Grund genug, die Abschaffung zu fordern. Bislang hat die USK sich zum Glück noch immun gegenüber tagespolitischer Panikmache vor Computerspielen gezeigt: Nach Erfurt unterstützte man etwa den Protest der "Counter-Strike"-Fans gegen eine angedachte Indizierung. Man machte sich ebenso gegen eine Indizierung von "Command & Conquer: Generals" stark. Man beschloss, "Doom 3" eine 18er-Freigabe zu geben (was prompt von der Presse mit wütenden Artikeln über die "Verdoomung der Republik" quittiert wurde). Auf ihrer Homepage erklärt die USK sogar ausdrücklich, weshalb sie das Spielen am Computer als eine wichtige neue Kulturtechnik einschätzt. Und mit ihrer "Fair Play"-Plakatkampagne weist sie ausdrücklich auf den kulturellen und künstlerischen Wert digitaler Spiele hin. Doch wie dünn ist die Luft dieses Mal geworden für die USK? Muss sie um ihre Existenz bangen und wird daher vielleicht sogar strenger urteilen? Eines ist klar: Jene Alternativen zur USK, die der konservativen Flanke der Regierung derzeit vorschweben, werden auch die Gamer kaum begeistern können, die derzeit blindlings die Stimmung nutzen, um mit auf die Berliner Agentur einzutreten. Während die USK als ein Filter agiert, der versucht, zu jüngeren Spielern nur solche Spiele durchzulassen, die für sie geeignet erscheinen, schwebt den politischen Kritikern der USK derzeit offenbar eher das Modell eines Dammes vor, der das Phänomen Computerspiel so umfassend wie möglich von der deutschen Leitkultur fern halten kann. Während die USK volljährigen Spielern noch garantiert, in Deutschland mehr oder weniger umständlich jedes nicht von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Spiel kaufen zu können, könnte dies nach den derzeit angedachten Umformungen des Jugendmedienschutzes ganz anders aussehen. Aus diesem Grunde brauchen auch die Spieler die USK: zum einen als Instrument, das verhindert, dass der neunjährige Bruder jedes beliebige Splattergame kaufen kann. Zum zweiten aber auch als Sicherheit davor, dass die Regierung der Hochkultur der Dichter und Denker dem immer noch misstrauisch beäugten Computerspiel mit noch härteren Bandagen zu Leibe rückt. Ein "Killerspielverbot", wie es jüngst im Koalitionsvertrag von CDU und SPD vorgeschlagen wurde, mag noch so unsinnig sein: Es sollte niemand allzu sicher sein, dass nicht spätestens im nächsten Wahlkampf versucht wird, es trotzdem durchzusetzen. Ein Zocker fordert: "Die Gamer sind jetzt gefragt, sich richtig darzustellen und zu erklären. Wer sich jetzt eingräbt, wird Nicht-Gamer nie überzeugen. Es gibt Erwachsenen-Games für Erwachsene, basta. Steht dazu!" Sein Name: Marek Klingelstein. Sein Beruf: Spieletester. Bei der USK. Text: Danny Kringiel