Spielspiel

Spielspiel

Gameplay, Gameplay, Gameplay – alle reden immer vom Gameplay. Aber reden wir eigentlich alle über dasselbe? Wir haben die Leute gefragt, die es eigentlich wissen müssen: die Entwickler. Schließlich haben sie es erfunden, das Gameplay. Wirklich einig sind sie sich aber nicht. Sechs Entwickler, sechs Antworten

Mike Simpson
Studio: Creative Assembly; Spiel: „Medieval 2: Total War“, „Shadow Of The Beast 2“ Bitte definiere Gameplay. Der erste Grundsatz für Gameplay ist der Kontrapunkt: Für alles, was du in einem Spiel tust, muss es einen Grund geben, es nicht zu tun. In einem Shooter ist es gut, sich viel Zeit zum Zielen zu lassen. Das erhöht aber auch die Chance, selbst getroffen zu werden. In einem Rennspiel ist schneller immer besser. Bis die Kurve kommt. Der zweite Grundsatz für Gameplay ist Adrenalin. Adrenalin ist die Droge, die den Spieler immer wieder zum Spiel zurückkommen lässt. Wenn man von einem Adrenalinrausch runterkommt, werden die Sturheits-Schaltkreise in unserem Gehirn aktiviert. Das ist der Grund für das typische „Einmal noch“-Prinzip, dem wir nicht entkommen können. Gutes Gameplay hält den Spieler außerdem so lange wie möglich auf einem messerscharfen Grat zwischen Erfolg und Misserfolg, lässt ihn dann ein bisschen runterkommen, und dann geht es wieder los. Der dritte Grundsatz ist das Eintauchen. Wenn der Spieler im Spiel versinkt, verschwindet die reale Welt um ihn herum, und die Zeit verfliegt. Ein Eintauchen in die Spielwelt multipliziert den Effekt von Kontrapunkt und Adrenalin. Der letzte Grundatz: Die Zeit des Spielers ist kostbar. Bürde ihm keine überflüssigen Pflichten auf. Jedes Feature, jede Aktivität sollte sich für den Spieler auszahlen. Und zwar proportional zur Zeit, die er dafür aufgewendet hat. Wie integrierst du gutes Gameplay in deine Spiele? Wir sind mit einem Testprogramm ausgestattet, mit dem wir ein Spielelement im Handumdrehen zum Laufen bringen. Inklusive State-of-the-Art-Grafik die nur auf Computern läuft, die es noch gar nicht gibt. Damit können wir alle Möglichkeiten durchgehen, um herauszufinden, welche sich am besten spielt. Das Ganze nennt sich Vorstellungskraft. Der Großteil der Gameplay-Ideen wird in den Köpfen der Gamedesigner entwickelt und wieder und wieder durchgespielt – und im Zweifelsfall verworfen. Die Ideen, die diese Auslese überstehen, werden dann ins Spiel integriert und getestet. Die meisten davon werden ebenfalls verworfen – oder zumindest modifiziert. Das ist ein unbarmherziger Vorgang, der sich so ins Gehirn einbrennt, dass man noch immer Ideen im Kopf durchspielt, wenn das Spiel schon lange im Regal steht. Dein bestes Gameplay-Erlebnis? Keine Ahnung. Ich spiele seit 25 Jahren Videospiele und kann mich kaum erinnern, was letzte Woche passiert ist. Unvergesslich ist aber die Partie „Medieval: Total War“, in der einer meiner vom Computer gesteuerten Vebündeten einen katholischen Bischof in eins meiner Gebiete schickte, der einen katholischen Aufstand heraufbeschwor, dann einen Diplomaten losschickte, um die Aufständischen zu bestechen. Er hatte mir das Gebiet weggeschnappt, und da er mein Verbündeter war, konnte ich nichts dagegen tun. Über so eine Taktik hatten wir niemals nachgedacht. Geschweige denn, sie ins Spiel integriert. Ich sage euch: Die Kisten leben. Wie wird sich Gameplay in der Zukunft verändern? Im Angesicht ansteigender Budgets und dem Reifeprozess der Spieleindustrie wird das Gameplay im Allgemeinen besser werden. Es werden immer mehr Probleme während des Produktionsprozesses ausgefiltert, um zu verhindern, dass ein gutes Produkt wegen ein paar kleiner Fehler den Bach runtergeht. Auf der anderen Seite besteht auch die Gefahr, dass durch die größeren Budgets, straffere Entwicklungsabläufe und mehr Risikominimierung viele Ideen rausfliegen, die zwar nach Schwachsinn aussahen, aber in Wahrheit genial waren. Weniger miese, aber auch nur wenige heraus-ragende Videospiele: Das ist meine Prognose für die Zukunft.
02 Duncan Botwood
Studio: Rare; Spiele: „Project Dark Zero“, „Star Fox Adventures“, „Perfect Dark“, „Goldeneye 007“ Bitte definiere Gameplay. Dieser Begriff ist so allumfassend. Er wird laufend benutzt, in verschiedenen Kontexten, seine Bedeutung ist jedes Mal eine andere. Was natürlich nicht dazu beiträgt, den Begriff präzise einzukreisen. Ich persönlich definiere Gameplay als das Verhältnis von Spielelementen, die sich unter der Kontrolle des Spielers befinden – zum Beispiel die Bewegungen des Spielers –, und Elementen des Spiels, die der Entwickler unter Kontrolle hat – zum Beispiel die Levelarchitektur, die er nach Belieben erkunden kann. Bei gutem Gameplay harmonieren beide Seiten miteinander. Doch auch das kann man nicht verallgemeinern. Versierte Videospieler erwarten mehr Herausforderung von ihrem Spiel, als es zum Beispiel ein Gelegenheitsspieler tut, insofern werden diese beiden die Balance niemals als gleich empfinden. Wie integrierst du gutes Gameplay in deine Spiele? Ich gleiche die Steuerung, die dem Spieler zur Verfügung steht, mit der Spielewelt und den Aktionen ab, die der Spieler ausführen wird. Ich überprüfe, ob die Spielewelt eine befriedigende, passende und vor allem unterhaltsame Rückmeldung auf die Aktionen des Spielers gibt. Denn wenn sie nicht zufrieden stellend und unterhaltsam ist, warum sollte ich das Spiel dann machen? Dein bestes Gameplay-Erlebnis? Einige: über den Ozean in „Zelda: The Wind Waker“ zu segeln, eine perfekte Runde auf dem Sachsenring in „Moto GP2“ hinzulegen, das „Silent Cartographer“-Level in „Halo“ und so weiter und so weiter … Wie wird sich Gameplay in der Zukunft verändern? Da möchte ich gar nicht drüber nachdenken. Ich will überrascht werden – schließlich bin ich auch Gamer!
03 Toshihiro Nagoshi
Studio: Sega; Spiele: „WF Zero GX“, „Super Monkey Ball“, „Shen Mue“, „Daytona USA“ GEE: Bitte definiere Gameplay. Für mich gibt es in Videospielen drei grundlegende Regeln. Erstens: Man muss auf die eine oder andere Weise gewinnen oder verlieren können. Zweitens: Dem Spieler werden bestimmte Fähigkeiten abverlangt. Drittens: Der Spieler kann interagieren. Gutes Gameplay lässt den Spieler diese Regeln klar sehen – und einfach befolgen. Wie integrierst du gutes Gameplay in deine Spiele? Als erstes wäge ich ganz genau ab, was für mich das Schlüsselelement beim Design des Games ist. Dann widme ich mich unter Berücksichtigung dieses Schlüsselelements dem logischen Aufbau der Steuerung. Wenn es im Spiel vom Computer gesteuerte Gegner gibt, muss ich außerdem viel Zeit für die Algorithmen verwenden, die diese Gegner lenken. Danach werden diese drei Teile in einem langen Versuch-macht-klug-Prozess gegeneinander ausbalanciert. Das Entscheidende aber ist, dass sie zum Thema des Spiels passen müssen. Es ist totaler Blödsinn, die beste Steuerung oder die beste künstliche Intelligenz der Gegner zu entwickeln, wenn sie nicht zur Atmosphäre passen. Das wird sich niemals ändern, auch mit der neuesten Hardware nicht. Dein bestes Gameplay-Erlebnis? Als ich zum ersten Mal gemerkt habe, dass man Mario nach dem Sprung in der Luft bis zu einem gewissen Grad noch kontrollieren kann – vorausgesetzt, man hat die Skills. In Bezug auf meine eigenen Spiele war es das Driften in „Daytona USA“. Die perfekte Balance aus Driftwinkel und Vorwärtsbewegung zu finden wurde für mich zur zentralen Herausforderung des Spiels. Wie wird sich Gameplay in der Zukunft verändern? Spiele werden sich nicht ändern, wenn ihre Schöpfer nur an Dinge wie Auflösung oder Polygonzahl denken. Stattdessen sollten wir darauf achten, die spielerischen enger mit den technischen Möglichkeiten zu verknüpfen. Das ist meine größte Herausforderung.
04 Garreth Wilson
Studio: Bizarre; Spiele: „Project Gotham Racing 3“, „Geometry Wars“ Bitte definiere Gameplay. Gameplay ist für mich eine Erfahrung, ein Moment, den man als Spieler genießt und an den man sich gerne zurückerinnert. Game-Designer haben zwei Möglichkeiten, solche Momente zu erschaffen. Entweder sie erschaffen vorgegebene Pfade, auf denen der Spieler diese Momente erleben kann, so wie in „Half-Life 2“, „Shadow Of The Colossus“ oder „Doom 3“. Oder sie erschaffen eine offene Welt, in der man als Spieler seine eigenen Erlebnisse schreibt, sein eigenes Gameplay kreiert. Stichwort: „GTA“. Dort verläuft jedes Spielerlebnis individuell. Wie integrierst du gutes Gameplay in deine Spiele? Bei einem Rennspiel wie „Project Gotham Racing 3“ ist die Fahrphysik der Nagel, den du auf den Kopf treffen musst. Fühlt, und die Betonung liegt auf „fühlen“, sie sich realistisch an? Darüber hinaus haben wir bei „PGR3“ dem Spieler aber auch die Möglichkeit gegeben, seine eigenen Glücksmomente zu erschaffen, zum Beispiel durch den Streckeneditor oder die vielen Online-Features. Dein bestes Gameplay-Erlebnis? Als ich zum ersten Mal ein Massive-Multiplayer-Online-Spiel gespielt habe, hat mich das ziemlich umgehauen. Ich dachte die ganze Zeit: Mein Gott, alle diese Leute, die hier herumlaufen, repräsentieren echte Menschen. Wie wird sich Gameplay in der Zukunft verändern? Von Benutzern erschaffene Spiele, zum Beispiel Mods, werden das nächste große Ding. Das Internet ist eine großartige Bühne für so was. Sehr gespannt bin ich auch auf Nintendos Revolution, weil der neue Controller eine Fülle von neuen Gameplay-Möglichkeiten bietet.
05 Shingo Takatsuka
Studio: Konami; Spiele: „Pro Evolution Soccer“, Teil 1 bis 5 Bitte definiere Gameplay. In Sportspielen wird Gameplay vor allem über das Ausmaß der Kontrolle des Spielers über seine Spielfigur definiert. Es muss stets das Ziel sein, die Gedanken, die Absichten, des Spielers möglichst direkt und schnell in eine angemessene Reaktion der Spielfigur umzusetzen. Gutes Gameplay in diesem Sinne reflektiert also die Kreativität und die Fertigkeiten des Spielers. Wie integrierst du gutes Gameplay in deine Spiele? Ich spiegele die Kreativität des Spielers in den Bewegungen der Spielfigur. Ohne dass die AI, die künstliche Intelligenz der Figur, allzu sehr in diese Verbindung eingreift. Dein bestes Gameplay-Erlebnis? „Street Fighter 2“ von Capcom. Die 2D-Ära ist meiner Meinung nach in Sachen intuitives Gameplay immer noch das Maß der Dinge. Wie wird sich Gameplay in der Zukunft verändern? Vieles hängt damit zusammen, in welcher Hinsicht sich die Controller verändern. Sie werden maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Gameplays haben. Aber auch diese Entwicklung wird an ihre Grenzen stoßen. Denn auch wenn es irgendwann einen wie auch immer gearteten Controller gibt, der die Eingaben des Spielers in superrealistische Bewegungen der Spielfigur umsetzt, muss man sich fragen, ob das überhaupt wünschenswert ist. Schließlich soll auch ein Sportspiel in erster Linie ein Spiel bleiben und nicht zum Sport werden.
06 Chris Stockman
Studio: Volition; Spiele: „Saint’s Row“, „The Punisher“, „Star Trek Elite Force II“ Bitte definiere Gameplay. Gameplay ist das Fundament jedes Spiels. In fast allen Spielen bedeutet gutes Gameplay, dass es Spaß macht, sie zu spielen. Ansonsten gibt es keine allgemeine Definition. Der Begriff setzt sich aus vielen verschiedenen Aspekten zusammen. Lässt sich das Spiel gut steuern? Wie fühlt sich die Steuerung an? Sind die Aktivitäten, die der Spieler in der Welt des Spiels ausüben muss, so ermüdend oder langweilig, dass er frustriert ist vom Spiel? Ist die Framerate okay? Kein Mensch glaubt, wie viele Spiele von ihrer schlechte Framerate ruiniert werden! Alle diese Faktoren (und viele mehr) spielen in die Frage, ob das Gameplay gut oder schlecht ist, mit hinein. Wie integrierst du gutes Gameplay in deine Spiele? Das hängt voll und ganz davon ab, was für eine Art Spiel du machst. Bei „Saint’s Row“ konzentrieren wir uns auf das Kampfsystem und die Rennspiel-Elemente. Wir wollen sie so intuitiv und einfach wie möglich gestalten. Sie sind das Kernelement des Spiels. Dein bestes Gameplay-Erlebnis? „Resident Evil 4“ für den Gamecube, diese filmreif inszenierte Messerstecherei mit Jack Krauser, einem der Schurken. Wie wird sich Gameplay in der Zukunft verändern? Schwierig. Es gibt verschiedene Trends. Einer von ihnen ist das Weglassen jeglicher Bildschirmanzeigen, wodurch die Spiele cineastischer werden. Aber allgemein sehe ich jetzt kein neues Zeitalter anbrechen, keine Paradigmenwechsel. Stattdessen gibt es immer wieder kleine Verbesserungen. Protokoll: Michail Hengstenberg, Fotos: Simone Scardovelli
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von Volker Hansch / Februar 10th, 2006 /

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