Eine Marke
In vielen Internetforen beschwören Videospielfans Uwe Boll, keine Gameverfilmungen mehr zu drehen. Doch daraus wird nichts. Der deutsche Regisseur hat sich bereits fünf weitere Lizenzen gesichert. Das Ende? Noch lange nicht in Sicht
Uwe Boll ist die Zukunft der Videospielverfilmungen. Der deutsche Regisseur und Geschäftsführer der Boll KG hat sich gleich eine ganze Reihe viel versprechender Lizenzen gesichert. „Bloodrayne“ ist fertig, „Dungeon Siege“ wird gerade gedreht, „Postal“, „Far Cry“, „Hunter: The Reckoning“ und „Fear Effect“ sind in Arbeit. Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn man die seitenlangen Hasstiraden abarbeitet, die aufgebrachte Film- und Videospielfans über Uwe Boll in Internetforen verfasst haben. Als unfähig wird Boll dort bezeichnet, als Stümper, der den Untergang von Videospielverfilmungen zu verantworten habe. Aber ist er das wirklich? Eins ist klar: Boll ist kein Künstler. Schon eher ein Handwerker mit einer Besessenheit für Filme. Vor allem aber ein hemdsärmeliger, extrem cleverer Geschäftsmann. Sein Medienfonds beschert den Anlegern alljährlich satte Gewinne und ihm die Möglichkeit, Filme im Hollywoodformat zu drehen, ohne sich dabei für Hollywood verbiegen zu müssen. Aus seinem Motiv dafür, Videospiele zu verfilmen, macht er keinen Hehl: Geld. Das ist zwar wenig idealistisch, dafür aber ehrlich. Überhaupt: Der Mann redet Klartext. Über sich, seine Filme, Schauspieler, eigentlich über alles. Boll ist ein Filmanarchist von charmanter Ruppigkeit, wie man sie in Zeiten weich gespülter Pressestatements schmerzlich vermisst. GEE: Es gibt Leute, die nennen dich den Ed Wood von heute. Ist das eine Beleidigung oder eine Auszeichnung? Uwe Boll: Für mich ist das eigentlich eher eine Auszeichnung. Immerhin hat Ed Wood versucht, mit wenig Geld gegen viele Widerstände etwas Kreatives umzusetzen. Der hat sich nicht unterkriegen lassen, hat sich durchgekämpft und extrem viel geleistet. Mal ehrlich, wo wäre die große Leistung, wenn ich, wie Michael Bay, bei jedem Film von Anfang an 120 Millionen auf dem Konto hätte? Dann läuft doch alles wie von selbst. Ohne Geld einen Film zu verwirklichen und ihn nachher selbst zu vermarkten ist eine viel größere Leistung, als eine Big-Budget-Produktion abzuliefern, bei der es für alles Assistenten gibt. Mein erster Film, „German Fried Movie“, den wir in sieben Monaten mit weniger als 60000 Euro gedreht haben, ist immer noch mein härtestes Stück Arbeit, auf das ich am allermeisten stolz bin. In solchen Momenten, wenn kein Geld da ist, zeigt sich einfach, ob man etwas will. Das darf man in Hollywood natürlich niemandem erzählen, aber ich würde auch gratis Filme drehen, einfach weil ich so ein Filmfreak bin. Natürlich ist es schön, dass ich damit Geld verdiene, aber ich will jetzt zum Beispiel auch nicht mehr ausschließlich 60-Millionen-Dollar-Projekte wie „Dungeon Siege“ drehen, nur weil ich das einmal gemacht habe. „Postal“ werde ich mit vier Millionen irgendwo in der Wüste von Arizona drehen – ich finde, man muss da beweglich bleiben. So was wie Wolfgang Petersen oder Roland Emmerich könnte ich auch gar nicht – die sind jetzt die 100-Millionen-Dollar-Regisseure und drehen vier Jahre lang keinen Film, weil sie nicht mehr mit weniger drehen wollen. Das würde ich nicht aushalten. Vor deiner Spezialisierung auf Videospielverfilmungen hast du auch andere Filme gemacht, darunter „Heart Of America“ über das Schulmassaker von Littleton. Wie kam es zu dem „Themenwechsel“? Reiner Zufall? Ja, Schon. Ich hatte „Heart Of America“ gerade abgedreht, als ich das Drehbuch zu „House Of The Dead“ von einer Produktionsfirma geschickt bekam. Ich wollte schon immer einen Zombiefilm machen, wusste aber zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass das Drehbuch auf einem Videospiel basierte. Ich war zwar schon immer an Computerspielen interessiert, bin aber eigentlich erst durch den finanziellen Erfolg von „House Of The Dead“ und „Alone In The Dark“ auf den Trichter gekommen, das Ganze zu einem System zu machen. Finanzieller Erfolg? Ich dachte, beide Filme wären gefloppt? Ja, an der Kinokasse vielleicht. Aber „Alone In the Dark“ zum Beispiel hat über die Vermarktung als DVD mehr als 30 Millionen Dollar eingebracht, bei Produktionskosten von 16 Millionen. Als wir gemerkt haben, dass das Prinzip „Videospielfans gucken Videospielverfilmungen“ aufgeht, haben wir uns dazu entschlossen, die Boll KG zu einer Marke für Videospielverfilmungen zu machen. Das hört sich mehr nach wirtschaftlichem Kalkül als nach Herzblut an. Am Anfang war es auch vor allem wirtschaftliches Kalkül. Ich finanziere meine Filme privat, über einen Medienfonds. Ich habe keine großen Studios im Rücken. Da kann ich mir gröbere finanzielle Misserfolge nicht leisten. Doch mit der Zeit hat sich das dann zu einer echten Leidenschaft entwickelt. Ich habe viele Games gespielt, um zu gucken, was sich für eine Verfilmung eignet, habe mich intensiv mit den Charakteren beschäftigt und Gespräche mit vielen Publishern aufgenommen. Mal eine ganz ketzerische Frage: Eignen sich Videospiele mit ihren oft sehr dünnen Storys überhaupt als Filmvorlage? Ja, auf jeden Fall – denn sie haben zwar nicht immer eine umwerfende Story, aber oftmals sehr starke Charaktere. Um die herum kann man eine starke Story spinnen, die auch Leute interessiert, die das Game nicht kennen. In dieser Hinsicht befinde ich mich aber auch in einem Entwicklungsprozess: Bei „House Of The Dead“ habe ich mich noch stark ans Game gehalten – ich habe sogar Szenen aus dem Spiel in den Film integriert, was ich heute als Fehler bezeichnen würde. Tja, und dann haben alle Kritiker den Film als ultraflaches Gemetzel in den Boden getrampelt. Aber, hey: „House Of The Dead“ ist ein stumpfes Ballergame – wie soll da der Film anders sein? Inzwischen löse ich mich da schon mehr. „Bloodrayne“ zum Beispiel kämpft ja im Spiel gegen Nazis. Wenn ich das im Film genauso übernehmen würde, mein Gott, wie cheesy wäre das denn? Deswegen erzählen wir im Film die Vorgeschichte zum Spiel. Nämlich wie Bloodrayne im 17. Jahrhundert zum Vampir wird. Auch auf die Gefahr hin, dass ein paar Hardcore-Fans des Spiels diesen Kunstgriff wieder als Verrat am Game bezeichnen werden. Wenn man sich anschaut, wie deine Filme im Internet debattiert werden, muss man sich schon fast Sorgen um dich machen: Solche Hasstiraden liest man selten. Du wirst mitsamt deinen Filmen regelrecht pulverisiert. Wie sehr nimmst du dir das zu Herzen? Setzt du auch etwas von der Kritik um? Na klar – ich habe zum Beispiel bei „Bloodrayne“ viel Wert auf ein gutes Script gelegt. So etwas wie bei „House Of the Dead“, wo ich am Set 30 Seiten des Drehbuchs neu geschrieben habe, passiert mir nicht noch einmal. Für „Bloodrayne“ habe ich zum Beispiel Guinevere Turner, die Drehbuchautorin von „American Psycho“, engagiert. Die zweite Sache, die ich nie wieder machen werde, habe ich quasi durch Tara Reid gelernt. Ich hätte heute keine Hemmungen mehr, einfach Leute rauszuschmeißen, wenn sie nicht schauspielern können. Das Problem bei Stars ist, dass die nicht vorsprechen. Tara sah ich zum ersten Mal am ersten Drehtag und merkte nach zwei Tagen, dass das überhaupt keinen Sinn macht. Dann habe ich hin- und herüberlegt, ob ich einfach eine unbekannte Schauspielerin nachbesetzen soll, habe mich aber aus Publicity-Gründen dagegen entschieden. Ein Fehler. Um der Schelte der Nerds zu entgehen, müsste man wahrscheinlich Videospiele verfilmen, die weniger Freak-Potenzial und dafür mehr Massenmarkttauglichkeit haben. Ist es so schwer, an die Lizenzen von „Halo“ oder „GTA“ zu kommen? Die Entwickler von „GTA“, Rockstar Games, haben offensichtlich kein Interesse daran, das Spiel verfilmen zu lassen – weil sie befürchten, dass eine mittelmäßige Verfilmung den Nimbus von „GTA“ zerstören könnte. Dafür habe ich auch vollstes Verständnis. Bei „Halo“ ist es so, dass Microsoft die Verfilmung ja quasi selbst in die Hand genommen hat. Da bin ich sehr gespannt, wie das Endergebnis sein wird. Ich finde das Spiel super, aber ich kann mir kaum vorstellen, wie „Halo“ als Film funktionieren soll. Bisher hast du deine Filme immer offensiv als „Film zum Spiel“ beworben, um die Fans ins Kino zu locken. Bei „Dungeon Siege“ willst du diese Strategie nicht anwenden. Wie hat sich das auf die Arbeit am Film und nicht zuletzt auch auf den Qualitätsanspruch ausgewirkt? Ja, „Dungeon Siege“ wird anders vermarktet. Der Film wird wahrscheinlich auch nicht „Dungeon Siege“, sondern „The Name Of The King – A Dungeon Siege Tale“ heißen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen spielen nur 15 Minuten des Films im Dungeon, in den Höhlen. Da wäre es doch schon ein wenig merkwürdig gewesen, wenn der Film „Dungeon Siege“ geheißen hätte. Außerdem habe ich mich mit der Story für den Film so weit von der Story vom Game entfernt, dass wir eher andersherum darüber nachdenken, mit Gas Powered Games, den Entwicklern von „Dungeon Siege“, ein Spiel zum Film zu machen, das dann als „DS2“-Expansion-Pack herauskommen könnte. Ein weiterer, entscheidender Faktor für diese Änderung der Strategie sind die Finanzen. Bei einem 15-Millionen-Dollar-Projekt wie „House Of The Dead“ bekommt man die Kosten mit den Videospielfans locker wieder rein. „Dungeon Siege“ kostet 60 Millionen Dollar, da reicht es nicht, wenn nur die Game-Fans ins Kino gehen. Ich denke, dass es für die Spielverfilmungen der nächsten Generation absolut entscheidend ist, dass sie massenkompatibel auch abseits dieser Zielgruppe sind. Also das Videospiel als eigenes Universum, in dem man dann Geschichten erzählt? In etwa. Wobei es natürlich von Fall zu Fall verschieden gehandhabt werden muss. Bei „Postal“ macht es zum Beispiel keinen Sinn, das Spiel eins zu eins zu verfilmen. Da muss man sich an einzelnen Elementen orientieren und die dann zu einer Story ergänzen. Bei „Far Cry“ ist es wieder ganz anders. Da haben wir die Story fast eins zu eins übernommen, weil die sehr filmisch ist. Ein bisschen wie „Stirb langsam“ auf einer Insel. Apropos „Postal“: Du hast mal gesagt, dass „Postal“ das für dich politisch unkorrekteste Spiel aller Zeiten sei. Wie meinst du das? Na ja, ich finde schon, dass es der amerikanischen Gesellschaft den Spiegel vorhält … auf eine gewisse Weise. Und es kommen ja auch Prominente vor, George W. Bush zum Beispiel, oder Osama bin Laden. Und in Amerika macht einfach niemand politisch kritische Filme. Die Oliver-Stone-Zeiten sind vorbei. Natürlich werde ich mich als Deutscher ganz besonders warm anziehen müssen, wenn ich so einen Film mache, aber letzten Endes ist mir das auch egal. Ich finde das wichtig und werde das machen. Ich bin ja zum Glück durch meine Finanzierung aus Deutschland komplett unabhängig. Ich muss nicht irgendwelchen Studios so lange in den Arsch kriechen, bis mal jemand was gut findet. Postal war ja wegen seiner expliziten Gewaltdarstellung sofort als Skandalspiel gebrandmarkt. Was erwartet uns bei der Verfilmung? Da wird es auch schon deftig zur Sache gehen, brutal wird das auf jeden Fall. Die Gewalt soll aber eher so sein wie bei „Snatch“ oder „Bube, Dame, König, Gras“, also eine Verbindung von Gewalt und Humor. Im Spiel kann man Osama bin Laden mieten, um ein Feuerwerk in einem Autohaus auszurichten – das am Ende dann in die Luft geht. Das ist doch total absurd und eben auch komisch. Ein politischer Uwe-Boll-Film? Auf jeden Fall. „Heart Of America“, der Film, den ich vor „House Of The Dead“ gedreht habe, war ja auch politisch und thematisierte das Schulmassaker von Littleton und den Waffenwahn der Amerikaner. Du hast mal gesagt, „Bloodrayne“ wäre ein Anti-Hollywood-Film. Bist du ein Revoluzzer? Ein Hollywood-Gegner? Ein Marodeur? Eins ist klar: Einen Film wie „Bloodrayne“ hätte kein Hollywoodstudio je gemacht, weil er sehr brutal ist und sehr verstörend. Wir sind einfach nah am Spiel geblieben, nach dem Motto: Sie braucht Blut, sonst stirbt sie. „Bloodrayne“ ist das Gegenteil von Filmen wie „Elektra“ oder „Catwoman“. Kein Hollywoodkitsch, in den auch 12-Jährige reingehen können, sondern harter Stoff ab 18. Bloodrayne ist ein richtiger Vampir, sie nimmt sich Männer, sie nimmt sich Blut, und das finde ich gut. „Bloodrayne“ ist ein bisschen wie die alten John-Carpenter-Filme, und da bin ich stolz drauf. Aber in Hollywood geht so was einfach nicht. Stattdessen machen sie lauter gleichgeschaltete Filme, die alle ein Happy End haben. Willst du es dem Hollywood-Establishment zeigen? In gewisser Weise wahrscheinlich schon. Aber eins darf man nicht vergessen. Ich war schon in Deutschland ein Außenseiter, insofern musste ich mich nicht großartig umstellen. Außerdem, mal ehrlich: Was ist denn mit den ganzen Deutschen in Hollywood gemacht worden? Von Ausnahmen wie Wolfgang Petersen sind die meisten Leute da doch nach Strich und Faden verarscht worden. Die haben keine müde Mark gesehen für ihre Filme. Ich kann jetzt natürlich keine Zahlen nennen, aber was Bernd Eichinger am Ende für sein „Resident Evil“ als Erlös aus den USA bekommen hat, das war ein Witz. Und natürlich ist es für die Leute in Hollywood schwer zu akzeptieren, wenn dann so jemand kommt wie ich, der bei ihren Geschäften nicht mitmacht. Bei den Schauspielern bist du ja aber offensichtlich recht beliebt, denn mit Ray Liotta, Christian Slater und Ron Perlman hast du dir ja einige Stars für „Dungeon Siege“ und „Bloodrayne“ geangelt. Wie kommt das? Sind das alles Gamer? Also, Ron Perlman hat schon mehrere Videospiele synchronisiert, Ray Liotta auch, und Christian Slater ist ein echter Videospielfan. Insgesamt ist es aber so, dass die einfach vom Drehbuch angetan waren. Die lesen ja nicht die Sachen, die in irgendwelchen Internetforen über mich geschrieben werden, und sagen dann: „Der Boll ist ein Idiot“, sondern unterhalten sich mit mir und stellen fest, dass ich was vom Filmemachen verstehe. Warum wird eigentlich bei Videospielverfilmungen so wenig mit Stilmitteln aus Videospielen gearbeitet, also zum Beispiel Egoperspektive, Side-Scrolling und so weiter? Bei „House Of The Dead“ habe ich das gemacht. Dort haben wir oft in „Over-Shoulder“ und Egoperspektive gedreht, aber darüber haben sich die Leute im Internet auch nur aufgeregt. Die haben mich alle verteufelt, dass ich „Matrix“-Effekte wie Bullet-Time verwendet habe, dabei sind die Videospiele doch voll davon. Ich glaube, das ist einfach so, dass man diese Leute nie zufrieden stellen kann. Paul Anderson wurde ja für seine „Resident Evil“-Verfilmungen auch nicht gerade mit Lob überschüttet. Der kann eigentlich froh sein, dass es mich jetzt gibt, weil er so weniger Häme abbekommt. Stellenweise ist das ja auch schon wieder fast komisch, mit welcher Hingabe mich die Leute fertig machen. Das hat schon fast was von Liebe. Interview: Michail Hengstenberg
Unabhängig von der Häme muss man den Mann beneiden.
Er kann machen was er will und bekommt dafür anscheinend ordentlich Geld.