Special Move
Die Serie "Dead Or Alive" gehört zu den bekanntesten im Beat'em-Up-Genre, ihr Entwickler Tomonobu Itagaki ist einer der wenigen Stars der Branche. Zum Erscheinen von "Dead Or Alive Ultimate" sind wir zu ihm nach Tokio gejettet
Ein kleiner Konferenzraum in Tokio. Die Rollläden sind heruntergelassen. Eine Deckenlampe wirft schummriges Licht gegen die mit dunklem Holz verkleideten Wände. Tomonobu Itagaki hat eine Sonnenbrille auf der Nase. Dazu trägt er Biker-Boots und eine Jeansjacke, seine dünnen Beine stecken in eng anliegenden Röhrenjeans. Wie er dasitzt in dem schwarzen Ledersessel, hinter ihm eine Kommode voll mit Entwicklerpreisen und einem Ständer mit Schwertern, wirkt er wie die schmächtige japanische Version eines extravaganten Hollywoodstars. Mindestens genauso euphorisch wird der Chef von Team Ninja auch von seinen Fans gefeiert. Als „Entwickler des Jahrhunderts“ und „Jimi Hendrix der Videospielbranche“ wird der „Dead Or Alive“-Erfinder in Fanforen verehrt. Dabei ist das Spiel noch ein relativer Neuling auf dem Beat’em-up-Olymp. 1997 erschien „DOA“ in Japan, da prügelten sich die Fans des Genres schon seit Jahren in den Arenen von „Street Fighter“ und „Tekken“. Doch mit seiner Mischung aus leichter Kontrollierbarkeit, geschmeidigen Bewegungen und üppigen Protagonistinnen errang es schnell seinen Platz in den Herzen der Prügelfans – und wurde mit „DOA 3“ einer der wichtigsten Xbox-Verkäufer. Nun erscheint „Dead Or Alive Ultimate“, eine Kollektion der ersten beiden Teile, auf der Xbox. Ein guter Zeitpunkt, einen der ganz großen Beat’em-up-Erfinder besser kennen zu lernen – was nicht ganz so einfach ist. Denn, wie zu erwarten, lässt sich der Mann mit der Sonnenbrille nicht allzu gern in die Karten schauen. GEE: Was ist das wichtigste Spielelement für ein gutes Beat’em-up? Tomonobu Itagaki: „Beat’em-up? Was ist das?“ Itagaki schaut seinen Übersetzer fragend an. Dann folgt ein Wortwechsel zwischen den beiden. Fast eine Minute lang. Beat’em-up, Beat’em-up. Dann lautes Lachen. „Entschuldigen Sie“, sagt der Übersetzer. „Mr. Itagaki wusste nicht, was ,Beat’em-up’ bedeutet.“ „Also. Das Wichtigste an einem Beat’em-up ist, dass der Spieler von Anfang an glaubt, dass er gewinnen kann.“ Wie erzeugst du dieses Gefühl in „DOA“? „Der Charakter auf dem Bildschirm muss sich genau so bewegen, wie du es willst. Er muss leicht zu kontrollieren sein.“ Aber was ist dann mit Spielen wie „Virtua Fighter“, wo man die Tastenkombinationen für die einzelnen Moves genau kennen und trainieren muss? Ist das nicht viel mehr wie echter Kampfsport, wenn man hart trainieren muss, um einen Sieg zu erringen? „Zum Training gezwungen zu sein, um zu gewinnen, fühlt sich für den Spieler schnell an wie Hausarbeit oder ein Job. Das ist nicht das, was ich mir unter einem Spiel vorstelle, nicht das, was ich am Spielen genieße. Sicher kann man auch bei ,DOA‘ nicht von Anfang an jeden Griff und jeden Wurf meistern. Aber man soll sich fühlen, als könnte man. Sobald man eine Taste drückt, bewegt sich der Charakter. Der Spieler soll auf seine Reflexe und seine Hand-Augen-Koordination vertrauen können. Nicht auf sein Wissen, sondern auf die Fähigkeiten eines Videospielers.“ Der schummrige Konferenzraum, einige Stunden vorher. Itagaki am Xbox-Controller. Er erklärt gerade den Online-Modus, das Herz von „DOA Ultimate“. Dabei kämpft er gegen Coldwindhands, einen Spieler, der in der Bestenliste der Online-Spieler weit vor ihm liegt. Mal um Mal wird Itagaki in Grund und Boden geprügelt. Trotzdem hat er sichtlich Spaß. Er lacht, wenn ihn sein Kontrahent in die Beleuchtung der Disco-Stage befördert, zeigt Bewunderung, wenn dem Gegner ein besonders guter Move gelingt. Wenn Coldwindhands wüsste, wen er da gerade grün und blau ledert, würde er noch seinen Kindern davon erzählen. Doch trotz seiner so wenig verbissenen Art ist Videospielen für Itagaki weit mehr als ein netter Zeitvertreib. Er erklärt, dass es bei dem Online-Modus vor allem um denn Wettbewerb geht. „Competition“, sagt er und taucht ein in ein komplexes System aus Wertungen, Ranglisten und Statistiken. Und die Regeln sind unerbittlich. Wer beispielsweise aus einem Kampf aussteigt, verliert auto- matisch Punkte – und zwar so viele, dass es weh tut. Als einer der Journalisten fragt, ob das System registriert, wenn die Verbindung aus Versehen abbricht, schaut Itagaki ihn vorwurfsvoll durch seine dunklen Gläser an: „Nein. Wer ganz oben mitkämpfen will, muss eben dafür sorgen, dass er eine anständige Internetverbindung hat.“ Dead or alive eben. Wenn ein echter Ninja einen Kampf abbricht, kostet ihn das seine Ehre – wenn einem Spieler die Internetverbindung abbricht, kostet ihn das seinen Platz in der Rangliste. Eine Rangliste gibt es auch für die beliebtesten Spielcharaktere. Und fast scheint es, als wäre sie nur für Itagaki da. Wie zu erwarten wird sie von drei vollbusigen Kämpferinnen angeführt. Stolz zieht er ein „DOA“-Quartett hervor und legt die drei Kämpferinnen nebeneinander auf den Tisch vor sich. Ayane und Leifang sind auf Platz zwei und drei. Kasumi ist die Nummer eins. Sie ist die Herzdame in dem Kartenspiel. Itagaki lächelt zufrieden. Wenn es um die Charaktere des Spiels geht, weicht die Entschlossenheit aus seinem Gesicht. Dann ist er nicht mehr der harte Ninja und auch nicht der coole Hollywoodstar, sondern eher ein kleiner Junge, der von seiner Familie oder seinen besten Freunden erzählt. Was muss ein Charakter haben, um in die „DOA“-Serie aufgenommen zu werden? „Das ist eine wirklich schwierige Frage. Es braucht ungefähr eineinhalb Jahre, einen Charakter zu entwickeln. In diesem Zeitraum beschäftigt sich der Charakter-Entwickler ständig mit der Figur. Aber irgendwann kommt der Tag der Wahrheit. Ab einem bestimmten Punkt gibt es nur noch Details, die man verändern oder verbessern kann. An diesem Punkt hängt es dann von mir ab, ob ich sage, baut den Charakter ein oder lasst in draußen. Das ist manchmal eine verdammt schwere Entscheidung. Für mich und vor allem für den jeweiligen Charakter-Entwickler.“ Wie viele Charaktere wurden erfunden, die ihren Weg gar nicht erst ins Spiel gefunden haben? „Viele. Verdammt viele.“ Und was ist dein persönlicher Lieblingscharakter? „Kasumi natürlich.“ Warum natürlich? „Mit Kasumi habe ich die schönste Frau kreiert, die ich mir vorstellen kann. Sie ist für mich der perfekte Charakter. Außerdem hat sie einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, dass ,Dead Or Alive‘ es geschafft hat, sich bei den extrem engstirnigen Beat’em-up-Fans zu einer festen Größe zu mausern.“ Und schon sind wir bei dem Sex-sells-Vorwurf, dem sich Team Ninja von Beginn an, allerspätestens aber seit dem Bikini-Show-off „DOA Beach Volleyball“ ständig stellen muss. Denn was schon in der „DOA“-Serie unschwer erkennbar war, wurde in „DOA Beach Volleyball“ überdeutlich. Ein wichtiges Verkaufsargument für die Serie sind die offenherzigen Outfits der vollbusigen Kämpferinnen. Ein Tiefschlag für die Erfolgsserie „Dead Or Alive“, denn „Beach Volleyball“ wurde in den meisten Rezensionen sowohl spielerisch als auch moralisch übel von der Presse abgewatscht. Das Spiel, in dem es ausschließlich um Bälle ging, wurde zum Eigentor. Kein Wunder also, dass der kleine Junge in dem schwarzen Sessel bei diesem Thema im ersten Moment wirkt, als hätte man ihn mit der Hand in der Keksdose erwischt. Wie stehst du eigentlich zu dem Sex-sells-Vorwurf? In Deutschland sind die knapp bekleideten Frauen in „Dead Or Alive Beach Volleyball“ vielen Spielerinnen ziemlich sauer aufgestoßen. „Sex und Gewalt im Videospiel sind momentan kaum separierbar. Gibt es in einem Spiel Sex, dann ist es immer auch gewalttätig. Gewalt und Sex zu trennen, das sexy Element zu nehmen und in einer reinen Form zu präsentieren, darum ging es in ,DOA Beach Volleyball‘. Ich wollte niemals jemanden beleidigen. Ich habe einfach ein sehr offenes Verhältnis zur Sexualität, und daher kommen auch solche Spiele. Wenn das manche Spielerinnen beleidigt, ist das etwas, wo ich ihnen nicht helfen kann, denn das ist ihre Sicht der Dinge. Ich kenne viele Spielerinnen, die die Charaktere in ,DOA Beach Volleyball‘ als Anziehpuppen benutzen. Wie eine Barbie. Ob man das nun sexistisch oder einfach sexy findet, kommt eben ganz auf die Person an, die spielt.“ Wie kam dir die Idee für das Spiel? „Mittlerweile kennt jeder ,DOA‘. Aber es gab da eine Zeit, als das nicht so war. In Games wie ,Tekken‘ wurden damals zum ersten Mal Minispiele integriert. Zum Beispiel ,Tekkenball‘. Die ,Tekken‘-Entwickler sagten damals: ,Ihr ,DOA‘-Typen seid zu schlecht, um ein Minigame ins Spiel einzubauen.‘ Und das hat mich echt angekotzt. Aber als ich darüber nachdachte, wurde mir klar: Es geht nicht um Minigames. Du machst doch kein Fighting-Game, um dann zu sagen: Der nächste Teil wird das und das Minigame haben. Das ist eine absolut armselige Verkaufsstrategie. Anstatt also ihre Kritik eines Kommentars zu würdigen, habe ich beschlossen zu handeln. ,Ihr versucht ,Tekken‘ über ein simples Volleyballspielchen zu verkaufen? Ich mache einen kompletten Spieletitel daraus!‘ So entstand auch die Idee zu ,Ninja Gaiden‘. Es gab nämlich noch ein weiteres Minigame bei ,Tekken 4‘, und das war eine Art Sidescroll-Beat’em-up. Also konterten wir mit ,Ninja Gaiden‘.“ Da ist er wieder, der unerbittliche Ninja. Für den es nicht nur im Spiel um Sieg oder Niederlage geht. Erinnern wir uns nur an sein viel zitiertes Statement auf die Frage, ob „Ninja Gaiden“ nicht etwas zu schwer sei: „Das ist der Spirit von Team Ninja. Wir machen, was wir wollen – take it or leave it.“ Und die Verkäufe geben ihm Recht. „Ninja Gaiden“ wurde trotz des geradezu irrsinnigen Schwierigkeitsgrades zum Bestseller. Doch neben den Ausflügen in andere Genres ist die „DOA“-Serie noch immer sein Baby, für das er verbissen kämpft. Denn zwischen den verschiedenen Beat’em-up-Serien herrscht ein harter Konkurrenzkampf. Keine einfache Schlacht für Itagaki. Mit dem System, für das er programmiert, steht er in seinem Heimatland auf verlorenem Posten. Wer in Sonys und Nintendos Hochburg exklusiv für eine US-Konsole produziert, die sich kaum ein Japaner in seine Wohnung stellt, kämpft verkaufszahlentechnisch gegen Windmühlen. Die Xbox ist eine Konsole, die sich in den USA und Europa viel besser verkauft als in Japan. Fühlst du dich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land, wenn du hier in Tokio Spiele für diese Konsole entwickelst? „Ich fühle mich nicht wirklich isoliert, nur weil ich Spiele für die Xbox entwickle. Ein Spiel zu machen ist ohnehin eine eher einsame Arbeit. Es ist so, als würde man ein wirklich tiefes Loch graben. Aber ist das Spiel dann erst fertig und man tritt zurück und sieht, dass Millionen von Menschen auf der ganzen Welt es spielen, ist einem egal, für welche Konsole man das Spiel programmiert hat.“ Wie hat das eigentlich angefangen mit dir und den Beat’em-ups? „Eigentlich habe ich früher nur Ego-Shooter gespielt und mich nie wirklich für Beat’em-ups interessiert. Dass Team Ninja heute auf Fighting-Games und nicht auf Ego-Shooter spezialisiert ist, liegt vor allem daran, dass das Beat’em-up-Genre damals den größten kommerziellen Erfolg versprach. Liebe steckt natürlich trotzdem in „Dead Or Alive“. Ich liebe es, den menschlichen Körper und seine Bewegungen zu animieren. Das wird immer ein wichtiges Element in den Spielen von Team Ninja sein.“ Beat’em-ups kommen ja ursprünglich aus Japan. Machst du mit „DOA“ ein japanisches Beat’em-up, oder hast du immer im Hinterkopf, dass es der ganzen Welt gefallen muss? „Selbstverständlich denke ich in internationalen Dimensionen. Früher war es zwar schon so, dass bestimmte Genres nur in bestimmten Teilen der Welt entstehen. Zum Beispiel First-Person-Shooter in den USA und Fighting-Games in Japan. Viel mehr als ,Tekken‘, das sehr technisch ist, respektiere ich aber ,Mortal Kombat‘, weil es in diesem Spiel vor allem um eines geht: Spaß zu haben. Und ,Mortal Kombat‘ wurde bekanntlich in den USA entwickelt – ich bin also definitiv auf den Weltmarkt fokussiert.“ Und dieser wird nun mit „Dead Or Alive Ultimate“ ein weiteres Mal vorzüglich bedient. Endlich hat man als Xbox-User die Möglichkeit, die ganze bisherige Geschichte der „Dead Or Alive“-Charaktere zu erspielen. Die des ersten Teils, der 1997 nur für Playstation und Sega Saturn erschien und, fast eins zu eins übernommen, in erster Linie etwas für Nostalgiker und Vollständigkeitsfanatiker ist. Außerdem den zweiten Teil, der mit mehr Stages, mehr Kostümen, noch beeindruckenderer Grafik und neuen Moves eher ein „Dead Or Alive 3 Reloaded“ als ein „DOA 2“ ist. Hinzu kommt die optimale Nutzung von Xbox Live. Ganz nach der Team-Ninja-Attitüde „Wenn schon, dann richtig“ gibt es sechs verschiedene Kampf-Modi. Alle werden in Lobbys ausgetragen, in die sich bis zu acht Spieler einloggen können. Die treten dann gegeneinander an – unter anderem im „Tag Team Battle“ dem „Winner Stays“ oder dem herrlich absurden Schulhofgeraufe „Loser Stays“, bei dem der Verlierer im Ring bleiben muss, bis er gewinnt. Und was machen die anderen, während zwei oder vier gegeneinander antreten? Ganz einfach. Sie sehen zu und versuchen die Strategien ihrer Gegner zu durchschauen oder haben einfach Spaß daran, den Kampf zu verfolgen. Und unter all den wundervollen Fights und Moves vergisst man fast, sich auf „Dead Or Alive 4“, „Dead Or Alive: Code Cronus“, „Dead Or Alive X2“, und „Ninja Gaiden 2“ zu freuen. An diesen vier Titeln arbeitet das Team Ninja momentan zeitgleich. Ein hartes Programm. Gibt es eigentlich ein Geheimnis dafür, wie Team Ninja es schafft, so viele Spiele auf einmal zu entwickeln und trotzdem immer den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden? Tomonobu Itagaki lächelt so breit, dass sein schmales Gesicht fast nur noch Lächeln und Sonnenbrille ist. So sitzt er lässig zurückgelehnt in dem schwarzen Ledersessel, hinter ihm der Schrank mit den Entwicklerpreisen und den Ninja-Schwertern. Und in diesem Moment kommen sie alle drei zusammen: der selbstverliebte Hollywoodstar, der knallharte Ninja und der kleine Junge. „Neunzig Prozent gesunder Menschenverstand, zehn Prozent Verrücktheit.“ Tomonobu Itagaki ist der Begründer und Chef von Team Ninja, einem Department des Spieleentwicklers Tecmo Interview: Benjamin Maack
Ich kann es kaum erwarten, denn DOA für die PS3 erscheint. =)