Space Invader
Angetrieben von einer guten Idee und seiner Liebe zu Videospielen stieß Toshihiro Nishikado 1978 in eine digitale Welt vor, die bis dahin noch keiner kannte: Er entwickelte "Space Invaders", das erste Spiel, in dem die Bedrohung zurückschoss. Heute kennt jeder das Spiel, aber niemand mehr seinen Erfinder. Ein Gespräch mit dem Menschen hinter dem Mythos
GEE: Wie kamen Sie auf die Idee für „Space Invaders“? Toshihiro Nishikado: Damals war Ataris „Breakout“ in Japan sehr beliebt. Und ich war einer von vielen „Breakout“-Abhängigen. Ich konnte meine Finger einfach nicht davon lassen. Es faszinierte mich, dass das Gameplay dieses Spiels einzig darauf basiert, alles zerstören zu müssen. Und ich liebte diese Anspannung, wenn nur noch ein Block auf dem Bildschirm übrig war. Diese Elemente wollte ich in einem Shooter integrieren, meinem Lieblings-Spielegenre. Ich fing also an, ein Spiel für ein Arcade-Board zu programmieren, das mit neuen Mikroprozessoren arbeitete, die gerade in den USA entwickelt worden waren. Eigentlich wollte ich noch viel mehr Bewegungsmuster in das Spiel integrieren, aber diese Vorstellung musste ich aufgrund der beschränkten Leistung der Hardware begraben. Worin bestand Ihrer Meinung nach der Charme von „Space Invaders“, und was war der Grund für den weltweiten Erfolg? „Space Invaders“ war vor allem in einer Hinsicht revolutionär. Zum ersten Mal reagierten die Gegner in einem Videospiel auf den Spieler. Vor „Space Invaders“ beruhten fast alle Spiele auf non-interaktivem Gameplay. Der Spieler attackierte und musste seine Ziele innerhalb eines bestimmten Zeitlimits beseitigen. Aus diesem Zeitdruck entstand die Spannung. In meinem Spiel richteten sich die Computergegner nach den Bewegungen des Spielers, und sie schossen sogar zurück. Ich glaube, genau durch diese neuen Elemente war „Space Invaders“ interessanter als andere Spiele. Zuerst standen die Spielhallenbesitzer diesem Konzept mit großer Skepsis gegenüber, aber dann wurde das Game vor allem unter Jugendlichen schnell zum Hit. Haben Sie schon mal Perry Rodgers getroffen, den Halter des absoluten „Space Invaders“-Highscore? Nein, leider nicht. Und Ihr persönlicher Highscore? Ich bin nie weiter als Level drei gekommen. Spielen Sie ab und zu noch mal „Space Invaders“? Ja, am liebsten spiele ich „Space Invaders 2“ in der Standautomatenversion. Die Tischautomaten nehmen zwar weniger Platz weg, aber die großen, aufrechten Automaten erinnern mich immer an die Pionierzeiten des Arcade-Gaming. „Space Invaders 2“ spiele ich lieber als den ersten Teil, weil das Gameplay variantenreicher ist, zum Beispiel gibt es Invaders, die sich teilen. Trotzdem hat es sich schlechter verkauft als erwartet. Was ist zurzeit Ihr Lieblingsvideospiel? Von den neueren Spielen mag ich Shooter am liebsten oder auch Autospiele wie „Gran Turismo“. Aber ich spiele auch immer noch Klassiker wie „Breakout“, „Pac-Man“, „Tetris“ und „Xevious“. Haben Sie das Gefühl, dass ein so einfaches Spiel wie „Space Invaders“ heute noch funktioniert? Oder würden Sie sogar sagen, dass „Space Invaders“ immer noch besser ist als viele aktuelle Spiele? „Space Invaders“ wurde in den zurückliegenden Jahren auf sehr viele Plattformen portiert und verkauft sich eigentlich immer noch sehr ordentlich. Ich dachte dabei immer, dass die Umsetzungen wohl hauptsächlich von Leuten gekauft würden, die „Space Invaders“ in ihrer Jugend am Automaten gespielt haben, doch tatsächlich haben die meisten Käufer noch nie einen „Space Invaders“-Automaten gesehen. Ob sich echte Hardcore-Spieler auch heute noch für „Space Invaders“ begeistern können, weiß ich nicht, obwohl meiner Meinung nach gutes Gameplay und einfache Spielregeln nie ihren Reiz verlieren. Was ist der größte Unterschied zwischen den Spielen von heute und den Spielen von damals? Videospiele von früher legten ihren Schwerpunkt sehr auf ein gutes Gameplay. Sie konnten gar nicht anders. Die Spiele mussten Spaß machen, weil sie optisch so wenig zu bieten hatten. Die Speicherbausteine waren teuer, die Hardware-Leistung dementsprechend begrenzt. Also konzentrierte man sich darauf, die Menschen durch bessere Spielbarkeit an den Joystick zu fesseln. Heute haben Videospiele komplexe Strukturen, und der Fokus liegt auf einer bombastischen Grafik. Es scheint, als ob grafische Effekte wichtiger geworden sind als gutes Gameplay. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber eine Vielzahl heutiger Spiele verfügt zwar über eine großartige Grafik und Zwischensequenzen von cineastischer Qualität, lässt aber jegliche gute Spielidee vermissen. Das führt meiner Meinung nach dazu, dass diese Spiele schnell langweilig werden. Trotz der rudimentären Grafik früherer Spiele wurden die Spieler damals viel schneller in das Spiel hineingezogen, weil die simple Grafik und Animation viel Spielraum für ihre eigene Fantasie gelassen hat. Es ist wie mit einem Buch, das man liest und wirklich liebt. Dann sieht man sich die Filmadaption an und hasst sie, weil nichts darin so schön ist, wie man es sich vorgestellt hat. Schmerzt es Sie nicht zu sehen, wie Spielautomaten im Vergleich zu den Videospielen auf Heimkonsolen immer mehr an Bedeutung verlieren? Natürlich. Als Automatenentwickler der ersten Stunde kann ich diese Entwicklung nur bedauern. Für mich sind Spielautomaten die reinste und lebendigste Form von Videospielen. Und natürlich glaube ich fest daran, dass es irgendwann ein neues Konzept für Videospielautomaten geben wird und der Arcade-Automat seine frühere Popularität zurückerobern wird. Trotzdem sehe ich mir natürlich heute noch alle aktuellen Spiele genau an. Leider sind sie oft so schwierig, dass ich selbst nur den Anfang spielen kann. Danach lasse ich dann die jüngeren Leute aus meinem Team spielen und schaue ihnen dabei über die Schulter. Interview: Alexander Geyer